Sepp Zurmühle
Der Samstag 13. Mai ist der Tag der Bio-Pflanzen in Teufen: Am Morgen die sehr gut besuchte Bio-Setzlingsbörse in der Hechtremise und am Mittag die genussvollen Gaumenfreuden am BiodiversiTABLE im Zeughaus. Die Anwesenden geniessen eine unglaubliche Vielfalt an Farben-, Geschmacks-, Biss- und Gaumenempfindungen, hergestellt aus und mit wilden, einheimischen Pflanzen.
Teufen lacht: Himmel im Bauch
Es ist der erste BiodiversiTABLE in Teufen. Injiziert und organisiert wurde er durch die Mitglieder der Aktion für Biodiversität: Lucia Andermatt, Mägi Bischof und Andreas Kuster. Weitere Personen aus Teufen haben eigene Spezialitäten aus einheimischen Wildpflanzen, Kräutern und Milchprodukten hergestellt und mitgebracht.
Einheimische Kochkunst
Im ersten Stock des Zeughauses ist ein langer Tisch mit weissem Tischtuch aufgestellt. Stirnseitig steht ein reichhaltiges, buntes Buffet mit unzähligen leckeren Überraschungen. Nach der Begrüssung durch Lucia Andermatt stellt Andreas Kuster die essbare Tischdekoration – die er vorgängig im Garten gepflückt hat – vor. Die Blüten und Blätter der «Gelben Taubnessel» schmecken ebenso lecker, wie unterschiedlich zum «Falschen Brunnenkresse» oder zum würzigen «Knoblauchhederich».
Die einzelnen Hobby-Köchinnen und ein Koch aus Teufen präsentieren ihre selbst gemachten Gerichte mit ein paar Worten und geben selbstverständlich während des ganzen Anlasses gerne weitere Details ihrer Kochkünste und dem dahintersteckenden, z.T. sehr alten, Wissen, an alle Interessierten weiter.
Gerne veröffentlichen wir ein paar Beispiele und zeigen einige Fotos der vielen Spezialitäten, die es in keinem Laden und kaum einem Restaurant zu kaufen gibt. Mit Worten lassen sich die Augen-, Nasen- und Gaumenfreuden so oder so kaum beschreiben.
Geschmacksexplosionen
Besonders unglaublich sind die Überraschungen, wenn man von der Erstbeurteilung durch die Augen, mit der Nase riecht und dann in Mund und Gaumen erlebt, wie etwas so anders schmeckt, als was man erwartet hat. Ein eindrückliches Beispiel dafür sind die «Schwarzen Nüsse» von Lilian Kuster. Erst beim näheren Betrachten ist zu erkennen, dass es keine grossen schwarzen Oliven sind, sondern Baumnüsse. Wie Baumnüsse oder schwarze Oliven schmecken, ist hinlänglich bekannt. Wie «Schwarze Nüsse» im Gaumen erlebt werden, würde sicher niemand voraussagen können, schon gar nicht, wenn er oder sie wüsste, dass sie aus noch unreifen, grünen Nüssen hergestellt wurden. Unglaublich geschmackvoll und ja, sie schmecken süss.
Die Kornelkirsche ist eine wertvolle, einheimischen Heckenpflanze, deren gelbe Blütenpracht bereits im Februar unsere Kulturlandschaft verzaubert. Wussten Sie, dass deren Früchte in einem raffinierten Verfahren in gelblich-rötliche «Falsche Oliven» verwandelt werden können? Lilian Kuster verrät, wie es geht.
Man glaubt es kaum und ähnlich ergeht es einem bei vielen anderen Spezialitäten, angefangen bei selbstgemachtem Knäckebrot oder dem Pesto aus dem eisenhaltigen Giersch, das von vielen Menschen nur als «Unkraut» bekannt ist und verschmäht wird. Oder haben Sie schon einmal leckeres Brennnessel-Risotto von Silvia Droz und ihrem Mann genossen? Kennen Sie das Appenzeller Käsemousse von Cornel Thaler? Zum Apéro ist es eine Augen- und Gaumenfreude erster Güte. Es wird auf einem selbstgemachten Knäckebrot und mit Blüten des Landsgmends-Blüemlis (Wiesenschaumkraut) und Waldmeisters dekoriert (oder je nach Saison mit anderen…).
Dann zum Dessert Windbeutel mit Isländisch Moos oder «After Eight» aus Pfefferminz-Blättchen, in dunkle Schokolade getaucht… oder Rosmarin-Guetzli? Haben Sie schon einmal Zucker aus der Pflanze Mädesüss oder gar Spitzwegerich Chips gekostet?
Wenn nicht, dann lohnen sich erste Versuche auf jeden Fall. Hoffentlich darf Teufen sich auf weitere BiodiversiTABLE freuen, damit alle die es beim ersten Mal versäumt haben, eine neue Gelegenheit erhalten.
Natur und Olivenöl
Sepp Zurmühle
Der Einwohnerverein Niederteufen-Lustmühle (EWVNL) lud, im Rahmen seiner periodischen Anlässe, unter dem Motto: «Kennst du das?» zu einem Garten-Rundgang und einer anschliessender Olivenöl-Degustation ein. Das Wetter auf der Schäflisegg spielt an diesem 5. Mai-Abend nur teilweise mit. Das tut der tollen Stimmung jedoch keinerlei Abbruch.
Andreas und Lilian Kuster empfangen die «Nachbarn von weiter unten» gegen 18 Uhr auf ihrer fast 1000 Meter über Meer liegenden Liegenschaft Egg 918. Nach dem Empfangs-Getränk im «Privatgarten» geht es möglichst rasch auf den Rundgang. Der Wetterbericht hat Gewitter-Regen angesagt ab 18.30 / 19 Uhr.
Garten-Zonen
Andreas Kuster führt uns in ganz verschiedene Zonen seiner landwirtschaftlichen Liegenschaft von rund 5 Hektaren, die er seit 30 Jahren naturnah bewirtschaftet. Wir Gäste bezeichnen die ganze Liegenschaft als «grossen Garten».
So führt uns denn Andreas Kuster nacheinander in Zonen mit unterschiedlichen Boden- und Mikroklima-Verhältnissen und fragt beiläufig, was uns beim Wort «Garten» als Erstes in den Sinn kommt? Meist höre er Begriffe wie «Arbeit, viel zu tun, Unkraut» usw. Gleichzeitig zeigt er den zwei Dutzend interessierten Nachbarn seine Wiesen, die er seit vier Jahren gar nicht mehr gemäht hat. «Den meisten Leuten fehlen Geduld und Zuversicht, dass ein Nichtmähen positive Auswirkungen auf die Vielfalt der Flora und damit auf die Fauna hat. Sie mähen dann doch immer wieder…»
Andreas Kuster praktiziert seit Jahren das «naturnahe» Bewirtschaften und zeigt, wie sich die Natur an verschiedenen Stellen seines «grossen Gartens» unterschiedlich entwickelt und erzählt anhand konkreter Beispiele, wie die Vegetation sich fortlaufend immer wieder verändert.
In der ersten Zone hinter dem Haus wachsen zahlreiche Straussenfarne, bläulich blühender Finger-Zahnwurz und junges Mädesüss unter den Bäumen. Daneben wilde Rosen und auch zwei kleine Magnolien. Zur Hauptsache bevorzugt Andreas Kuster einheimische Gewächse, welche ihrerseits Futter für Insekten und andere Tiere bieten. Ein paar «Exoten», die ihm und seiner Frau gefallen, dürfen trotzdem nicht fehlen. «Nicht alles wächst einfach spontan». Andreas Kuster pflanzt seit Jahren gewünschte Arten dazwischen, welche sich im guten Fall ihrerseits vermehren, wenn ihnen der Standort zusagt.
Etwas weiter unten befindet sich der rund angeordnete Gemüse-Garten der Familie. Dieser ist im Moment naturgemäss noch fast leer. Dahinter sehen wir einen Teil der mittlerweile 120 Stamm-Obstbäume, die er nach und nach gepflanzt hat.
Nun geht es hinunter zum Teich und der angrenzenden Feuchtzone. Hier ist die Vegetation eine komplett andere. Blühende Sumpfdotterblumen, neu spriessendes Schilf, Schwertlilien und falsche Brunnenkresse… Bei den hohen, mächtigen Birken entfernte Andreas Kuster alle unteren Seitenäste, um diese Zone «durchlässiger» zu gestalten.
Auch im Wald, am steilen Hang hat der «Gärtner» seit Jahren Hand angelegt. Er wurde ausgelichtet und alle «wilden Brombeeren» mit dem Pickel ausgegraben, damit sich eine andere Vegetation entwickeln kann. U.a. können wir schöne «Kissen» von bald blühenden kleinen Waldmeister-Pflänzchen bewundern. Hier hat Andreas Kuster auch einen Marronibaum gepflanzt und ist zuversichtlich, dass sich dieser sogar hier auf der Nordseite gut entwickeln wird.
Unterdessen ist der Himmel dunkel und der Wind stärker. Wir beeilen uns, um wieder auf die Höhe der Strasse zu gelangen. Die ersten Regenschirme werden aufgeklappt. Wir machen einen kurzen Abstecher zum Hügel ob dem Südhang, wo mehrere, junge Marroni-Bäumchen und ein paar Bienenvölker eines befreundeten Imkers stehen. Andreas Kuster macht auf die vielen Oregano-Pflanzen aufmerksam. «Sie sind hervorragend für Bienen und Schmetterlinge, von denen es hier im Sommer richtig wimmelt». Einige Schmetterlingsarten überwintern an den Gräsern. Wenn die Wiesen nicht gemäht werden, überleben in solchen Zonen eindeutig auch mehr Schmetterlinge.
Nach einer situationsbedingt kurzen Diskussion beeilen sich alle in Richtung trockenem Stall.
Gutes Olivenöl erkennen
Was ursprünglich draussen geplant war, findet nun im oberen Stock der alten Scheune statt.
Andreas Kuster macht einen Crashkurs in Olivenöl-Degustation. Schmeckt es eher nach Banane oder Gras? Wie ist die Schärfe? Wie bitter ist es auf einer Skala von 1 bis 10?
«Richtig gutes Olivenöl wird aus noch grünen Oliven kalt gepresst. Nur lassen sich grüne Oliven nicht maschinell ernten und müssen von Hand gepflückt werden, weil sie noch stark mit dem Baum verbunden sind».
Andreas Kuster beantwortet die Fragen der interessierten Zuhörerschaft und verteilt kleine Schalen für die Degustation. Zwei unterschiedliche, jedoch beides qualitativ gute Olivenöle dürfen sowohl mit der Nase, wie in Mund und Gaumen «erspürt» werden.
Sie stammen beide aus einer bergigen Region, ganz im Süden Italiens.
Alle Anwesenden verteilen ihre Noten von 1 bis 10 für die drei Kriterien: Banane/Gras, Schärfe und Bitterkeit. Wer findet es sei eine 1 streckt auf. Wer bewertet eher eine 2 oder 3 usw.? Sobald die Hälfte aller Teilnehmenden aufgestreckt hat, ist der statistische Mittelwert erreicht. Es ist interessant und macht Spass.
Verblüffend ist, dass die Unterschiede der beiden Öle bei den einzelnen Kriterien doch markant sind und man sich in dieser Gruppe von Laien darin recht einig ist. Gemäss Andreas Kuster schmeckt ein gutes Olivenöl «eher nach Gras als nach Banane, hat eine gute Bitterkeit und ist würzig scharf». Eine schöne und bereichernde Erfahrung mit allen Sinnen.
Draussen lässt die Intensität des Gewitters langsam nach, währenddessen die Stimmung im Innenraum lauter und ausgelassener wird. Der offerierte Apéro riche und die Gespräche unter Quartier-Nachbarn werden offensichtlich sehr geschätzt.
Hinweis: Weitere Informationen zum Quartierverein finden Sie unter: https://www.ewvnl.ch/. Am 27. August treffen wir uns zum Grillplausch in der Hauteten.