Bis vor Kurzem hat es noch stark geregnet und oben auf dem Säntis gar geschneit. Doch heute, am Wander-Donnerstag vom 10. Juli, könnte das Wetter nicht passender sein. 23 Mitglieder der Wandergruppe Tüüfe sind mit Marie-Theres und Hans-Werner Butz Richtung Toggenburg unterwegs.





















Stein SG bis Nesslau
Weil das ursprünglich geplante Postauto ab Wattwil keine Gruppen transportiert, nimmt die Gruppe eine spätere Zugverbindung bis Nesslau und erst von dort den gut gefüllten Doppelstockbus Richtung Wildhaus für die letzten Kilometer nach Stein SG. Bereits im Bogengang des Bahnhofs St. Gallen erteilt das Wanderleiter-Team deshalb erste Informationen zum Ausgangspunkt der Wanderung.
Vor 200 Jahren zählte Stein SG mehr als 700 Einwohnende. Heute sind es noch rund die Hälfte. 1180 wurde Stein erstmals erwähnt. Auffällig sind die beiden Kirchen, wobei die reformierte etwas erhöht steht und die katholische unten an der Thur.
1947 löste ein langer Föhnsturm den letzten Dorfbrand der Schweiz hier in Stein aus. Fast das ganze Dorf wurde zerstört und danach – dank landesweiter Solidarität – wieder aufgebaut: https://kloster-st-johann.ch/11-tw/42-dorfbrand-stein. 2013 fusionierte Stein mit Nesslau-Krummenau zur Gemeinde Nesslau.
«Nesslowe», benannt nach Konrad von Nesslowe, wurde 1261 erstmals urkundlich erwähnt. Eine neue Zeit begann 1912 mit der Eröffnung der Bahnlinie. Nesslau wurde zum bedeutenden Personen- und Warenumschlagplatz. Im Obertoggenburg gewinnt der Tourismus an Bedeutung. Heute besteht die Gemeinde aus den Dörfern Nesslau, Neu St. Johann, Krummenau, Ennetbühl und Stein. Flächenmässig ist sie die Drittgrösste im Kanton St. Gallen und zählte 2024 3884 Einwohnerinnen und Einwohner.
So friedlich wie heute war es über viele Jahrhunderte nicht in der Gegend. Während der Reformation vor rund 500 Jahren trat vorerst praktisch die gesamte Bevölkerung dem neuen Glauben bei. Daraufhin wurden von St. Gallen aus gezielt Katholiken angesiedelt und das Gebiet sozusagen wieder «zurückerobert». Vor gut 200 Jahren zogen französische (Napoleon) und österreichische Truppen durchs Tal. Der Abtransport von Vieh, Futtermitteln und Esswaren hatte – für die ohnehin arme Bevölkerung – bittere Armut und Hungersnot zur Folge. Die täglichen Nachrichten erinnern uns bedauerlicherweise an so viel «Altbekanntes».
Nichts davon ist glücklicherweise heute an der reichlich wasserführenden Thur zu spüren. Die Gruppe wandert talwärts am Giessenfall vorbei und wechselt dabei mehrmals die Uferseite. Stellenweise geht es über Steine, Wurzeln, Treppen auf und ab durch herrliche Landschaften mit immer wieder wechselnden Passagen der noch wenig gezähmten Thur.







Picknick auf dem Inseli
Kurz nach dem Dorf Nesslau-Neu St. Johann erreicht die Gruppe das «kleine Inseli» mitten im Thurlauf. Dieses Naturjuwel ist in Privatbesitz der Sozialen Institution Johanneum, in der rund 220 Jugendliche und Erwachsene mit einer geistigen Beeinträchtigung oder Lernbehinderung ausgebildet werden und Arbeit finden: https://www.johanneum.ch/das-johanneum/.
Die kleine weisse Kapelle scheint mitten im Wasser zu stehen. Kurz darauf führt eine überdachte Holzbrücke hinüber zur Fluss-Insel mit grosszügigen Grill- und Picknickmöglichkeiten: https://www.johanneum.ch/mediathek/2023/06/Flyer-Trauminseli-4-Seiten.pdf. Hier macht die Gruppe eine wohlverdiente Pause und geniesst das selbst mitgebrachte Mittagessen im Schatten der Bäume, umspült von rauschendem Thurwasser.






















Lauf-Wasserkraft
Die Kraft des Wassers ist auf der gesamten Wanderstrecke mit fast allen Sinnen zu spüren. An zwei Stellen scheint sich der ansonsten zügig fliessende Wasserlauf zu verlangsamen und in einen kleinen See überzugehen. Beide Male wird das Wasser durch Staumauern zurückgehalten.
Bei allen Wasserkraftwerken im Toggenburg handelt es sich um Laufwasserkraftwerke. Im Gegensatz zu Speicherkraftwerken wir hier keine Wasser gespeichert. Der Abfluss an Wasser entspricht dem Zufluss.
Das Laufwasserkraftwerk Herrentöbeli zwischen Neu St. Johann und Krummenau ist seit dem Jahr 1981 im Besitz der SAK (St.Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG) und versorgt mit seiner Jahresproduktion von 3,4 Mio. kWh Strom rund 750 Haushalte: https://www.sak.ch/ueber-sak/standorte/wasserkraftwerke/kw-herrentoebeli.
Angefangen hat alles 1886 ganz bescheiden. Der Kanton erteilte das anfängliche Wasserrecht für eine nutzbare Leistung von acht Pferdestärken (PS). Spätere Eigentümer nutzten das Kraftwerk für eine Schmiedewerkstatt und ab 1944 für eine Weberei. Via Link können Technik und Geschichte nachgelesen werden, welche uns Hans-Werner Butz ausführlich schildert.
Krummenau bis Ebnat-Kappel
Bei der heutigen Wanderung hätte man die Variante kurz mit rund 7 km wählen und bereits in Nesslau in den Zug steigen können. Nach dem stärkenden Picknick sind aber alle motiviert bis Krummenau weiterzuwandern. Die Mehrheit besteigt dort nach gut 10 km Gesamtdistanz den Zug. Beim Zwischenhalt in Wattwil, gönnen sie sich im «Madlen’s Café» kulinarische Köstlichkeiten, bevor sie gegen 15.30 Uhr die Heimreise antreten.
Eine Gruppe von acht Mitgliedern hat in Krummenau noch nicht genug. Sie wandert bis nach Ebnat-Kappel weiter. Hier geht es nun so richtig bergauf und bergab, immer wieder steile Passagen über Treppen und Kieswege, vorbei an herrlichen Aussichtspunkten auf die wilde und dann wieder ruhigere Thur. Auch die Spuren des Bibers, zum Teil an steil abfallenden Uferbereichen und ziemlich weit vom Wasser entfernt, machen Eindruck.
Nach gut 16 km und knapp 500 Höhenmetern aufwärts und 700 abwärts geniesst auch die Restgruppe vor der Heimreise den Zwischenhalt im «Madlen’s Café» in Wattwil. Die ganze Wanderung und auch der Eiskaffee bleiben in guter Erinnerung.