Bildbericht: Erich Gmünder
Das neue Appenzeller Liederbuch wurde am Freitagabend, 22. Juni an der Vernissage im Zeughaus Teufen nicht nur vorgestellt, sondern es wurde auch kräftig daraus gesungen. Im Zentrum stand die Freude, gemeinsam über die Kantonsgrenzen hinweg etwas geschaffen zu haben, um das Liedgut als Kulturschatz wieder unter die Leute zu bringen.
Viel illustres Volk, angeführt von den beiden Ständeräten Ivo Bischofberger (AI) und Andrea Caroni (AR), und den beiden früheren Erziehungsdirektoren Hans Höhener und Rolf Degen, füllte zusammen mit Regierungs-, Gemeinde- und Bezirksräten, Chormitgliedern, Sangesfreudigen allen Alters und den vielen Kindern in ihren Trachten das Erdgeschoss, als die beiden Projektleiterinnen Vreni Kölbener und Ingrid Brühwiler das Werk vorstellten.
„Da singt jetzt kei Chueh mee“
In einer munteren Talkrunde erzählten die beiden Erziehungsdirektoren, der Innerrhoder Landammann Roland Inauen und der Ausserrhoder Regierungsrat Alfred Stricker, wie es zum neuen Liederbuch kam. Kurz nach seiner Wahl in die Regierung sei die damalige Schulinspektorin Vreni Kölbener mit dem Anliegen an ihn herangetreten, ein neues Liederbuch zu machen, da das alte aus dem Jahr 1968 vergriffen war, sagte Landammann Roland Inauen.
Das alte Liederbuch sollte jedoch nicht einfach nachgedruckt werden, sondern auch aktuelles Liedgut wie beispielsweise „Ratzliedli“ (in Ausserrhoden „Lompeliedli“ genannt) enthalten. Im mittlerweile 50-jährigen Liederbuch habe es ein paar Ladenhüter drin, „da singt jetzt kei Chueh mee“, sagte Roland Inauen unter dem Gelächter des Publikums.
Als Vreni Kölbener 2014 den Auftrag erhielt und als erstes eine Arbeitsgruppe zusammenstellte, habe man rasch gemerkt, dass auch Ausserrhoden mit ins Boot geholt werden sollte. Auch das Ausserrhoder Liederbuch „Aus der Heimat“ aus dem Jahre 1952 war in die Jahre gekommen und vergriffen.
Projektleiterin Ingrid Brühwiler vertrat die Erziehungsdirektion Ausserrhoden, und die Arbeitsgruppe Liederbuch wurde schrittweise mit Chorleitern und Experten aus beiden Kantonen verstärkt. Chöre und Komponisten wie Dölf Mettler wurden angefragt, Lieder und Noten gesammelt, Urheberrechte wurden abgeklärt und um Schreibweisen, Notationen und Akkorde gefightet, wie Vreni Kölbener erzählte.
Unterschiedlicher Dialekt als Knacknuss
Vor allem die unterschiedliche Schreibweise der Dialektwörter sei oft eine Knacknuss gewesen, und zum Teil sei bis auf die Stufe der Erziehungsdirektoren um Kompromisse gerungen worden, verriet Roland Inauen. Wo man sich nicht einigen konnte, wurden beide Schreibweisen (z.B. Häämet, Heemed) ins Buch aufgenommen. Und wenn die Lieder in beiden Kantonen in zwei unterschiedlichen Fassungen gesungen werden, wurden sie gleich nebeneinander gesetzt, womit die Unterschiede 1:1 verglichen werden können. Überhaupt sei die Zusammenarbeit zwischen den beiden Departementen vorbildlich gewesen, rühmte Alfred Stricker.
„Singen führt dazu, dass sich Leute finden. Das Buch soll sie zusammenführen und das Liedgut ins Volk hinaustragen. Jetzt muss gesungen werden, bis das Buch Eselohren bekommt“, wünschte sich der Ausserrhoder Erziehungsdirektor. Und sein Innerrhoder Kollege doppelte nach: „Hoffentlich wird das Buch auch weit über die Kantonsgrenzen hinaus gesungen. Ich freue mich auf den Moment und würde mich gerne in ein Ausserrhoder Schulzimmer beamen, wenn eine Klasse dort ein Innerrhoder Ratzliedli singt.“
Bei all den Ansprachen und Würdigungen des vielen, zum Teil ehrenamtlichen Engagements, das die Arbeitsgruppenmitglieder an den Tag gelegt hatten, kam der Gesang etwas zu kurz. Die vier Jugendchöre (Chinderchörli Herisau, Goofechörli Gonten, Buebechörli Stein und Jugendchörli Appenzell) in ihren farbigen Trachten sangen sich in die Herzen des Publikums.
Weitere Kostproben gab die singende Arbeitsgruppe gleich selber, und am Schluss wurde mit Inbrunst und gemeinsam mit dem Publikum der Ausserrhoder Kanon „Aade bi n i loschtig gsee“ gesungen, bevor alle zum reichhaltigen Appenzeller Buffet auf dem Zeughausplatz eingeladen wurden.
Reich illustriertes Liederbuch
95 Lieder, Rugguuseli und Zäuerli umfasst das vom Trogner Künstler und Kunstlehrer Werner Meier reich illustrierte Buch. Hinten erklärt ein Glossar, erarbeitet vom Urnäscher Volkskundler Hans Hürlemann, die Bedeutung der Redewendungen und Dialektausdrücke. Der Volksmusiker Daniel Bösch war verantwortlich für die Notationen, sein Kollege Erwin Sager kümmerte sich um die Urheberrechte, und daneben arbeitete rund ein Dutzend weiterer Experten, Chorleiter und Komponisten am Werk mit.
Das Appenzeller Liederbuch wurde in einer Auflage von 15’000 Exemplaren gedruckt und wird in beiden Kantonen ab der 3. Primarklasse abgegeben. Es ist auch im Buchhandel erhältlich (Fr. 24.-). Die Gesamtkosten von 150’000 Franken wurden durch Stiftungen sowie die beiden Kantone finanziert.
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