Natalie Fuchs
Am vergangenen Sonntag fand in der katholischen Kirche in Teufen ein Gottesdienst der besonderen Art statt. Zwei neue Ministranten wurden aufgenommen und der Flüchtlingsjunge Ghandour Rias erzählte aus seinem kriegsgezeichneten Leben.
In den Medien ist das Thema Corona allgegenwärtig. Überall wird von Händedesinfektion, Masken und Schutzmassnahen gesprochen und der Krieg, politischer Terror und die Flucht tausender Menschen rücken dabei in den Hintergrund. Trotzdem kämpfen viele Menschen im Mittleren und Nahen Osten weiterhin ums
In den Medien ist das Thema Corona allgegenwärtig. Überall wird von Händedesinfektion, Masken und Schutzmassnahen gesprochen und der Krieg, politischer Terror und die Flucht tausender Menschen rücken dabei in den Hintergrund. Trotzdem kämpfen viele Menschen im Mittleren und Nahen Osten weiterhin ums Überleben. Um dies nicht zu vergessen, wurde am vergangenen Sonntag einen besonderen Gottesdienst in der katholischen Kirche Teufen gefeiert, in dem der Flüchtlingsjunge Rias Ghandour aus seinem Leben erzählte.
«Mit Flucht fängt auch das Neue Testament an. Bald schon ist Weihnachten und automatisch kommt einem das harmonische Bild mit Josef und Maria zwischen Stier und Esel in der Krippe in den Sinn. Dabei geht oftmals vergessen, dass die sogenannte heilige Familie unter der Herrschaft von König Herodes von Palästina nach Ägypten fliehen musste. Weil das Neue Testament mit Jesus’ Geburt ebenfalls mit Flucht beginnt, wäre es falsch, wenn wir unsere Augen davor verschliessen würden» So begann Diakon Stefan Staub den Gottesdienst. In einem berührenden Interview befragte er den achtzehnjährigen Rias zu seinen Erfahrungen und Erlebnissen als Flüchtling.
Die ständige Angst verfolgt zu werden
Weil sich Rias’ Vater zu keinem Regime in Syrien bekennen wollte, wurde er von verschiedenen politischen Gruppierungen als Feind angesehen und verfolgt. Er musste seine Familie deshalb verlassen und sich in einer Waldhütte verstecken. Nur sein Sohn und ein Freund der Familie wussten, wo er sich aufhielt. Immer wieder wurde das Haus der Familie durchsucht und Morddrohungen ausgesprochen. Wenn Rias seinen Vater besuchte, um ihn mit Lebensmitteln zu versorgen, ging er nicht den Strassen entlang, sondern durch den Wald. «Im trockenen Laub hätte ich das Rascheln gehört, wenn mich jemand verfolgt hätte», erklärt der Achtzehnjährige Syrer.
Als sich die Morddrohungen schliesslich auch gegen Rias selbst richteten, flüchteten er und sein Vater für einen hohen Betrag mit illegalen Schleppern aus Syrien nach Libanon. Von dort aus ging es mit dem Flugzeug in die Türkei. Dort wurde nochmals eine hohe Geldsumme für den Überwassertransport nach Griechenland verlangt. Mehrere Male musste die Abreise verschoben werden, weil der Wellengang zu stark war. Schlussendlich bekamen der damals vierzehnjährige Rias und sein Vater einen Platz in einem Schlauchboot für die Flucht über das Marmarameer nach Griechenland. «Das Boot war für zehn Personen gedacht und wir waren ungefähr 49. Wenn ich meine Hand ausstreckte berührte ich das Wasser», erzählte er, «Mir war klar, dass ich hätte sterben können, doch zu Hause in Syrien wäre ich ganz sicher gestorben.» Die Bootsfahrt habe zwischen fünf und sechs Stunden gedauert. So lange bangten er und die anderen Passagiere um ihr Leben, das sie – davon ist Rias überzeugt – ihrem syrischen Schiffsfahrer zu verdanken hatten, der das Flussboot trotz der hohen Wellen sicher nach Griechenland gebracht hatte. «Ohne ihn wäre ich jetzt tot.»
Die Schweiz ist und bleibt nur die zweite Heimat
Über Umwege ist Rias schliesslich in die Schweiz gekommen und lebt derzeit in Bühler. Auf die Frage, was er den Leuten in der Kirche mitgeben wolle, antwortet er: «Schätzt immer, was ihr hier alles habt und glaubt nicht blind, was die Medien berichten, sondern hinterfragt es sorgfältig und hört euch alle Meinungen dazu an.» Starke Worte von einem jungen Menschen, die zum Nachdenken anregen.
Obwohl Rias Ghandour in der Schweiz eine neue Heimat gefunden hat und hier eine Ausbildung zum Polymechaniker macht, die ihm sehr gut gefalle, plant er nicht für immer in der Schweiz zu bleiben. Sein grösster Wunsch sei, irgendwann nach Syrien zurückkehren zu können, was jedoch nur durch grosse Veränderungen in der Regierung und Politik möglich wäre.
Zwei neue Ministranten werden in den Dienst aufgenommen
Rias Ghandour’ Geschichte lässt aufhorchen und weitet den Blick vom allbeherrschenden Thema Corona auf andere Herausforderungen des Lebens. Im Kontrast zu dieser ergreifenden und traurigen Geschichte, durften zur grossen Freude zwei neue Ministranten in den Dienst in der Kirche aufgenommen werden: Nando Krummenacher und Claudia Neff. Auf die Frage, weshalb sie Ministrantin werden wolle, antwortet Claudia, dass ihre Geschwister ebenfalls ministrieren und sie auch gerne im Gottesdienst mithelfen will. Nando ist überzeugt, dass Gott viel Gutes tut und er als Ministrant etwas Gutes zurückgeben will. Gleichzeitig mussten drei langjährige Ministrantinnen verabschiedet werden. Da Irina Schenker und Sophia Andermatt am Vortag gefirmt wurden und somit nicht anwesend waren, übergab Svenja Tanner symbolisch ihre Kleider an die neuen Ministranten weiter.
Der Gottesdienst rief dazu auf, nicht zu vergessen, dass viele Probleme auf dieser Welt ungelöst bleiben, auch wenn die Medienwelt nicht mehr täglich darüber berichtet, dass Krieg und Terror trotzdem weitergehen und Menschen an den verschiedensten Orten der Welt um ihr Leben kämpfen müssen. Mit seiner Offenheit und indem Rias seine bewegende Geschichte teilte, regte er manch einen zum Umdenken an und konnte vielleicht auch einige Vorurteile oder, wie er es nennt, die Angst vor dem Fremden aus der Welt schaffen
en und Menschen an den verschiedensten Orten der Welt um ihr Leben kämpfen müssen. Mit seiner Offenheit und indem Ghiath Rias seine bewegende Geschichte teilte, regte er manch einen zum Umdenken an und konnte vielleicht auch einige Vorurteile oder, wie er es nennt, die Angst vor dem Fremden aus der Welt schaffen.