Das Haus Abächerli stand einst in einer noch weitgehend unüberbauten Umgebung im Gebiet Rütihof. Jahrzehntelang wurde es von Rosa Abächerli gehegt und gepflegt und gehegt. Bis 1958 standen hier acht bis neun Kühe im Stall. Anfangs Oktober wurde es zurückgebaut, um einem grösseren Wohnhaus Platz zu machen.Das damalige Restaurant Sonne, Blick Richtung Gstalden, um 1910
Der Rütihof heute. Die Aufnahme entstand am 18. Oktober 2016. Foto: sz
Blick auf die dahinterliegende Seite.
250 Jahre alter Zeitzeuge
Die ältesten Teile des Bauernhauses sollen gemäss Schreiner Sepp Inauen (Niederteufen) vor rund 250 Jahren gebaut worden sein. Die Liegenschaft hiess damals «Hinterboden». Noch bis 1956/57 führte einzig ein steiles Schottersträsschen von der Bahnlinie (vis-à- vis Schulhaustreppe) hinauf zum Hof.
Bis im Dezember 2013 wohnte Rosa Abächerli (genannt Rösli) im Haus, welches sie zusammen mit ihrem Garten bis zuletzt liebevoll gepflegt und gehegt hatte. Die Südfassade erhielt praktisch jährlich neue Pinselstriche in Braun und Eierschale, um gesund und schön zu bleiben.
Am Montag 3. Oktober 2016 war es dann soweit. Maschinen, Mulden und Bauarbeiter rückten an. Das Bauernhaus Abächerli in der engen Kurve an der Rütihofstrasse 13 wurde Stück für Stück «entkleidet» (Fenster, Fassadenverkleidung, Dachrinnen, Ziegel…) und dann fein säuberlich mit dem Menzi Muck nach Baustoffen sortiert zurückgebaut. Die Holzbalken waren morsch und die Wohnräume mit teilweise nur 180 cm Raumhöhe zu niedrig für heutige Ansprüche.
Ende Woche eröffnete sich den Nachbarn anstelle des alten Bauernhauses ein ungewohnt freier Blick zum gegenüberliegenden Rütiberg und ins Fürstenland.
«Tschüss Huus» nach 75 Jahren
Ob sie nicht traurig gewesen sei, als sie miterleben musste, wie «ihr» Haus abgerissen wurde, fragten wir Rosa Abächerli (82).
«Sehr zu meinem eigenen Erstaunen, Nein. Beim letzten Besuch Anfang Oktober schloss ich die Haustüre hinter mir zu und sagte «Tschüss Huus». Und so stimmte es einfach für mich», meint Rösli Abächerli in ihrer neuen, hellen Wohnung an der Hauptstrasse 64.
Von ihren 82 Lebensjahren war Rösli Abächerli, mit Ausnahme von zwei kurzen Unterbrüchen, insgesamt 75 Jahre hier zuhause. Sie kam 1934 als zweite Tochter des Pächterehepaares Peterer-Goldener in diesem Haus zur Welt. Die ältere Schwester Mina wurde 1928 geboren.
Vater Emil Peterer und Mutter Wilhelmine Peterer-Goldener kamen beide aus Appenzell und übernahmen ca. 1925 die Pacht des Bauerngewerbes Hinterboden 505. Die Liegenschaft gehörte damals Zahnarzt Merk (Riethüsli, letztes Haus im Watt). Die Wiesenflächen begannen in der sog. «Ebni» (heutiger Schulhausplatz/ Turnhalle), dann hinüber zum damaligen Restaurant Sonne bis zum Waldrand und den ganzen Hügel hinauf bis zum Haag beim Böhl (Haus Eschler). «Wir mussten damals noch die Kühe über die Bahnschienen treiben und auf die grüne Appenzellerbahn aufpassen, Autos gab es noch kaum», erzählt Rösli Abächerli aus ihren Kindheitserinnerungen.
«Es war das einzige noch aktive Bauerngewerbe am ganzen Hügel.» Folgende weitere – jedoch nur als Wohnhäuser genutzte – Bauernhäuser besiedelten den Hang: Ganz unten an der Bahnlinie wohnte Milchmann Paul Manser (Haus wurde später abgerissen), an der Cholgadenstrasse bewohnen heute Maurizio und Jeanette Ghisleni das von ihnen restaurierte Bauernhaus. Oben auf dem Hügel standen die beiden ebenfalls bis heute erhaltenen Bauernhäuser. Der ganze Rest war Wies- und Weideland des Hofes Hinterboden.
Nachdem Vater Emil 1955 früh verstarb, konnte die Pacht nicht weitergeführt werden. Mutter Wilhelmine und Tochter Rösli zogen für drei Jahre auf die andere Hügelseite.
Glückliche Besitzerinnen
Erst 1956/57 wurde die Rütihofstrasse gebaut; noch ohne Teerbelag. In der Zwischenzeit erwarb Architekt Roth die gesamte Liegenschaft Hinterboden. Das Bauernhaus erhielt erst viele Jahre später die neue Adresse Rütihofstrasse 13. Das Schicksal wollte es, dass Mutter Wilhelmine das Bauernhaus mit Scheune und etwas Umschwung 1958 erwerben konnte. So zog sie zusammen mit ihrer Tochter Rösli wieder ein. Rösli Abächerli wohnte noch weitere 55 Jahre in diesem Haus, das sie 1985, nach dem Tod ihrer Mutter übernahm.
Mit dem Bau der Rütihofstrasse begann 1957 die Besiedelung des Hanges. Die ersten Häuser waren: Oberbodenstr. 1, Alice Rohner, dann Rütihofstr. 22 und 24 (erbaut durch Vater und Sohn Walliser, beide Coiffeure in St. Gallen, seit vielen Jahren bewohnt durch Karl Wyler und Nachbarin Dora Rozinek). Danach folgte Haus um Haus.
An der Rütihofstrasse 13 entsteht nun ein Dreifamilienhaus, gebaut von Rösli Abächerlis Tochter Edith, die selber hier aufgewachsen ist, und ihrem Mann Ernst Tanner (Mettler & Tanner AG Teufen). So geht die Familiengeschichte der Liegenschaft «Hinterboden» bzw. Rütihofstrasse 13 in eine neue Zukunft.
Leserecho:
Mit Interesse habe ich den Artikel gelesen, betrifft er doch meine Kindheit. Ich hätte noch ein paar Ergänzungen zum historischen Ablauf.Das erste Haus das auf dem Rütihof gebaut wurde, war das Haus Rütihofstrasse 24a (Ringer), erbaut von einer Frau Schmid, gefolgt von Rütihofstrasse 20 (erbaut von Paul und Margrit Jakob, meinen Eltern). Danach kam das Haus Rütihofstr. 19 (Cecchinato). Die beiden „Walliserhäuser“ folgten mindestens 1ein Jahr später. Weitere Häuser der ersten Stunde waren neben dem erwähnten Haus Rohner das Haus Hinterbodenstr. 3 (Horndasch) und Oberbodenstrasse 3 (das Elternhaus von Köbi Brunnschweiler).In den Unterlagen meiner Eltern habe ich noch die beiliegende Fotografie gefunden. Sie zeigt den Rütihof noch ganz jungfräulich nur mit den beiden Bauernhäusern Abächerli und Hinterbodenstr. 507.Erich Jakob
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