Bildbericht: Erich Gmünder
Albin und Pascal Engeler pendeln täglich nach Andwil zur «Glaswelt». Seit über 80 Jahren experimentiert, entwickelt und produziert die Familie Engeler kunstvolle Anwendungen in Glas, und das bereits in dritter Generation.
Die Firma ist seit 1935 im herrschaftlichen Riegelhaus «Hirschen» untergebracht, das Wahrzeichen von Andwil schlechthin, dessen Wappen, der Hirsch, auch das Gemeindewappen ziert. Dort eröffnete Grossvater Gottlieb Engeler die Glasmalerei, die fortan vor allem im sakralen Bereich führend wurde und wo so berühmte Künstler wie Ferdinand Gehr ihre bunten Kirchenfenster herstellen liessen.
Zeugen davon finden sich auch in der katholischen Kirche im Stofel. Die farbenfrohen Darstellungen waren in Blei gefasst, ebenso die Wappenscheiben mit den Familienwappen, die von standesbewussten Familien ans Stubenfenster gehängt wurden.
Tempi passati: Beschäftigte die Glasmalerei zu jenen Zeiten bis zu 12 Mitarbeitende, sind es heute fünf. Wappenscheiben sind out, neue Kirchen werden kaum mehr gebaut. Im Bereich Sakralbau hat sich die Firma darum auf die Restauration verlegt: Die antiken Scheiben werden sorgfältig ausgebaut und hinter Isolationsglas neu eingesetzt, um sie zu sichern und die immensen Wärmeverluste zu reduzieren. Das Isolierglaspatent «DOM» wurde 1984 eingetragen.
Glas hat sich mittlerweile im Wohnbereich einen Platz erobert: Modernes Design aus Glas ist in. Engelers haben auch in dieser Nische neue Anwendungen entwickelt: Duschwände, Türen, Raumteiler aus Sicherheitsglas, wahlweise mit farbigen Einschlüssen oder mittels Sandstrahlung mattiert.
Und sie experimentieren weiter: Mehrere Gläser werden zusammen im Ofen «fusioniert» sprich geschmolzen. Das ergibt interessante neue Oberflächenstrukturen für neue architektonische Anwendungen.
«Glasarchitektur ist zwar in der Anschaffung teurer, aber auch langlebiger als die meisten anderen Materialien, insbesondere in Nassräumen», sagt Pascal Engeler.
Neuste Erfindungen, die an einer Ausstellung Ende Jahr in Andwil präsentiert wurden, sind Hänge- und Stehleuchten aus komplett entfärbtem reinem Glas. Bei über 800 Grad werden einzelne Glasteile in einer speziellen Form zu einem soliden Glaskörper verschmolzen und über Tage auf Raumtemperatur gekühlt.
Mit LED-Leuchten illuminiert, erzeugen die Steh- und Hängeleuchten ein wohnliches Ambiente. Jede Leuchte ist ein Unikat, die Herstellung unter dem Siegel «Glaslicht» ist ebenfalls patentiert.
Ein lebendiger Werkstoff
Immerzu reizte Engelers aber auch die künstlerische Anwendung von Glas. Beide bringen dafür fundierte Voraussetzungen mit.
So absolvierte Albin Engeler zwar ursprünglich eine Lehre als Laborant der chemisch-pharmazeutischen Richtung in der Kantonsapotheke St. Gallen. Doch irgendwann zog es ihm doch den Ärmel herein. Auf Ratschlag seines Vaters besuchte er den gestalterischen Vorkurs und anschliessend die Ausbildung zum Glasmaler.
Sohn Pascal war schon als Schulkind fasziniert vom Glas und verbrachte viel Zeit bei seinem Grossvater in Andwil. Seinen Bubentraum, Linienpilot zu werden, steckte er bald weg und wählte im Gegensatz zu seinem Vater den direkten Weg: Er absolvierte eine insgesamt siebenjährige Ausbildung, zuerst als Glasmaler, dann als Kunstglaser.
Danach erlernte er eine neue Disziplin, das Handwerk des Glasschmelzens – das Brevet als Hobbypilot holte er später in den USA nach, als er in Florida zwei Semester Kunstgeschichte studierte. Bald gewann er erste Wettbewerbe in der Schweiz für künstlerische Auftragsarbeiten.
«Flüssiges Glas ist ein lebendiger Werkstoff, wir haben bei unserem Experimentieren schon viel Lehrgeld bezahlt, erleben aber auch immer wieder schöne Überraschungen», sagt Pascal.
Andwil-Niederteufen
Dass Vater und Sohn mit ihren Familien heute in Niederteufen leben, ist Teil der Familien- und Firmensaga. Grossvater Gottlieb Engeler erhielt von Dr. med. h.c. Walter Winkelmann den Auftrag, für die Paracelsus-Klinik Lustmühle farbige Fenster zu gestalten. Die Familien kamen sich näher, und so lernte Albin seine heutige Frau Ruth Engeler-Winkelmann kennen.
Der «Hirschen» ist ihr zweiter Lebensmittelpunkt geblieben. Das historische Gebäude mit den riesigen Estrichen und einem Kellergewölbe, wo ein Fuhrwerk kehren konnte, war in ihrer Jugendzeit ein eigentlicher Abenteuerspielplatz, wie sie sich mit Schmunzeln erinnern.
Mit viel Herzblut und grossem Mitteleinsatz wurde und wird laufend in den Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes mit seinen ursprünglich 35 Zimmern investiert.
Die oberen Stockwerke wurden bewohnbar gemacht, die Werkstätten durch einen modernen Anbau erweitert.
Nur die markante Riegelbaufassade und die ehemalige Hauskapelle mit ihren vor kurzem sorgfältig restaurierten, barocken Malereien erinnern noch an die Bauzeit von 1732.