40 Jahre Schule Roth-Haus: Eine Gründerin erzählt

02.09.2012 | Erich Gmünder
Ake Rutz und Elisabeth Zecchinel

Alles begann mit einem Telefonanruf von Milly Keller, selber Mutter von zwei behinderten Kindern, bei Ake Rutz: «Jetz mues näbis go! Bisch au debii?», erinnert sich Ake Rutz.

Ake Rutz (links) mit Schulleiterin Elisabeth Zecchinel vor dem Waisenhaus, wo vor 40 Jahren alles begann. Foto: EG

Das war 1972. Zwar arbeitete die Appenzellische Gemeinnützige Gesellschaft (AGG) seit längerer Zeit am Projekt eines Schulheimes in Teufen und hatte das alte Waisenhaus im Visier. Den beiden Frauen ging es aber zu langsam vorwärts.

Ake Rutz, kurz vorher mit ihrer Familie von Teufen nach Speicherschwendi gezogen, hatte einen kleinen Sohn, der cerebral gelähmt war. Die ersten Erfahrungen waren niederschmetternd, die Hilflosigkeit im Umfeld gross, erinnert sich Ake Rutz: «Jo do wöllit mer fescht bete, dass da Chindli cha stärbe, sagte mir eine wohlmeinende Nachbarin.»

Doch Ake Rutz machte sich ernsthaft Gedanken über die schulische Zukunft ihres Kindes. Da meldete sich Milly Keller, und die Privatinitiative kam ins Rollen.

Kellers stellten spontan einen Raum am Unterrain zur Verfügung, und mit Margrith Heuscher wurde eine Heilpädagogin gefunden. Beim Vorbereiten merkte man allerdings sehr schnell, dass der Raum doch zu klein war, und so besann man sich auf das alte Waisenhaus der Gemeinde Teufen.

Schulbetrieb anfänglich auf privater Basis

Das Gebäude, das heute noch Teil der Schule Roth-Haus ist, wurde entrümpelt und mit einfachen Mitteln und viel privater Unterstützung eingerichtet. Hier begann am 5. Juni 1972 der Schulbetrieb, mit Fredy Eberhard als erstem Schulleiter, der Gebrechlichenhilfe als Trägerschaft und einer Schulkommission, welche die Schule über 30 Jahre ehrenamtlich führte.

1973 wurde die Elternvereinigung Appenzellischer Verein zugunsten geistig Behinderter A.V.Z.G.B gegründet, mit Ake Rutz als erster Präsidentin. Der Durchbruch in Innerrhoden, das man unbedingt mit im Boot haben wollte, gelang, als der berühmte Innerrhoder Brief- und Kulturpreisträger Johann Manser für die Sache gewonnen werden konnte. Die beiden damaligen Erziehungsdirektoren Raymond Broger (AI) und Hans Alder (AR) übernahmen das Patronat des jungen Elternvereins.

Dann ging es plötzlich schnell: 1974 wurde dank eines Fonds aus dem Vermächtnis des legendären Teufner Ministers Arnold Roth die Stiftung Roth-Haus gegründet. 1976 erfolgte unter der Trägerschaft der AGG der erste Spatenstich für den Neubau, und 1978 wurde dieser eingeweiht. Die Gemeinde Teufen stellte (und stellt bis heute) das Waisenhaus samt Umschwung kostenlos zur Verfügung.

Die Trägerschaft der Schule liegt bei der Stiftung Roth-Haus, die vom Teufner Roland Bieri präsidiert wird. Schulleiterin ist seit 2 Jahren Elisabeth Zecchinel.

Viel Sensibilisierungsarbeit

Bis dahin war aber ein steiniger Weg. Immer wieder habe sie am Anfang gegen Unsicherheit im Umgang mit dem Thema Behinderung ankämpfen müssen, erinnert sich Ake Rutz. Das Verständnis für behinderte Kinder sei damals gering gewesen, Behinderte und Behinderung gehörten weitgehend zum Tabubereich. Die Medien und die Politiker mussten richtiggehend wachgerüttelt werden.

Ake Rutz erinnert sich, wie schwierig es nur schon gewesen sei, die Lokalzeitungen für die Unterstützung ihres Anliegens zu gewinnen. Hier setzte denn auch die Aktion «För die Chend wo anderscht send» ein, eine eigentliche Kampagne, die ein ganzes Jahr dauerte und schliesslich auch finanziell ein voller Erfolg wurde.

Höhepunkt war ein grosser Galaabend 1975 im Kursaal Heiden mit viel Prominenz aus beiden Appenzell. So kamen schliesslich weit über eine halbe Million Franken zusammen.

Schicksal bejahen

«Die Tatsache, dass wir etwas hatten in Gang setzen können, statt tatenlos zuzuwarten, bestätigte uns, dass es richtig war. Man kann von anderen nicht mehr erwarten, als man selbst bereit ist zu geben. Ausserdem half die Aktivität, uns besser mit dem Schicksal auseinanderzusetzen und es auch ganz zu bejahen», sagt Ake Rutz im Rückblick.

Das gilt auch für sie persönlich: Ihr behinderter Sohn konnte die Schule nie besuchen. Er starb plötzlich und unerwartet im Alter von sieben Jahren. Erich Gmünder

Sonderwoche und Jubiläumsanlass
am 21. September

Die Heilpädagogische Schule Roth-Haus feiert ihr 40-Jahr-Jubiläum. Dazu gibt es für die Schülerinnen und Schüler vom 17.–21. September eine Sonderwoche, die am Freitagnachmittag mit einem Jubiläumsanlass abgeschlossen wird. Die Schule Roth-Haus lädt die Öffentlichkeit herzlich dazu ein.

Die Feier am Freitag, 21. September beginnt um 15 Uhr und dauert bis in die Abendstunden.

Lehrerschaft und die Kinder freuen sich auf viele grosse und kleine Besucherinnen und Besucher.

40 JAHRE SCHULE ROTH-HAUS Einladung zum Jubiläumsfest

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