Erich Gmünder
Bange Momente erlebte Familie Hunziker, als ihr Haus 1970 der Umfahrungsstrasse Platz machen musste. Das Eigenheim, das der Holzbaufachmann Hans Hunziker 1958 selber geplant und realisiert hatte, stand der Umfahrungsstrasse im Weg.
Im Rückblick muss Hans Hunziker schmunzeln. Die Idee für die Hausverschiebung hatte er selber. Der Kanton wollte sich jedoch nicht an den Kosten beteiligen. Ein Baumeister bot ihm an, die Finanzierung zu übernehmen, wenn er dafür den Boden als Installationsplatz benutzen und das Aushubmaterial von der Umfahrungsstrasse – 3500 Kubikmeter – hier zum Auffüllen brauchen dürfe.
Der Handel kam zustande, und der Termin der gewaltigen Aktion rückte näher. Etwas oberhalb wurde ein neuer Bauplatz ausgesteckt und dort das Fundament betoniert. Dann wurde die Operation mit einer Spezialfirma aus Tübach durchgeführt. Mit Eisenträgern wurde das 60 Tonnen schwere Holzhaus unterfangen und mit hydraulischen Kräften achteinhalb Meter angehoben.
«Und dann gab es den kritischen Moment, als ein heftiger Föhn aufkam», erinnert sich Hans Hunziker. Um nämlich das Haus auf Schienen 14 Meter Richtung Bergseite zu verschieben, mussten die Eisenträger zuerst zusammengeschweisst werden, und da befürchtete Hans Hunziker, das Holzhaus könnte bei dem starken Wind Feuer fangen.
Er beruhigte sich erst, als es schliesslich abends um neun Uhr mit einer Kante auf dem sicheren Fundament stand.
«16 Stunden dauerte die ganze Übung, und man fühlte sich zeitweise wie in einem Zirkus, so viele Schaulustige standen oben und guckten zu uns herunter.»
Die spektakuläre Haus-Züglete war geglückt, inklusive sämtlichem Mobiliar – nichts musste vorher ausgeräumt werden. «Nur ein einziges Glas ging zu Bruch, sonst blieb alles ganz», staunt Hans Hunziker noch heute.
Leben auf der Abfallgrube
Etwas versteckt steht das Holzhaus der Familie Hunziker heute an bester Aussichtslage, praktisch nur von der Haslenstrasse aus einsehbar. Dass er auf diesen Bauplatz stiess, verdankt Hans Hunziker seinem Schwiegervater Anton Luzi. Dieser, ein begeisterter Teufner Lehrer mit Bündner Wurzeln, hatte auf seinen Streifzügen den alten Sandsteinbruch entdeckt, der in den 50er-Jahren als Abfallhalde diente, und seiner Tochter und ihrem Mann als Bauplatz empfohlen. Kostenpunkt: 4000 Franken.
Die beiden zögerten nicht lange, begannen zu roden, den Schotter und Abfall wegzuräumen und die Deponie mit Erde zuzudecken.
Hans Hunziker, der als gelernter Zimmermann das Knowhow besass, plante ein modernes Appenzellerhaus. 1958, als die erste Tochter auf die Welt kam, wurde mit dem Bau begonnen.
55 Jahre wohnt er mittlerweile hier, und würde mit niemandem tauschen. Seine Frau ist vor acht Jahren gestorben, nun lebt noch die jüngere der beiden Töchter, Maria, im Haus, und in jeder freien Minute geniessen sie die Aussicht auf den Alpstein mit den ständig wechselnden Bildern.
«Wir brauchen gar kein Fernsehen, da gibt es immer so viel zu sehen.» – «Ja, es ist tatsächlich wie in einem Theater, man sitzt in der ersten Reihe », sagen die beiden.
Das Vogelgezwitscher und das Rauschen des Rotbachs werden zwar manchmal von Autogeräuschen übertönt. Jetzt, wo die Strasse wegen einem Erdrutsch bei den Nachbarliegenschaften kurzzeitig gesperrt ist, ist die Idylle jedoch vollkommen.
Und sie, die wegen ihrer «Abfallgrube» einst belächelt wurden, werden heute um ihre unverbaubare Aussicht beneidet – die sie auch der exotischen Lage hoch über der Umfahrungsstrasse zu verdanken haben.
Wegen starkem Föhn wurde es bei den Schweissarbeiten «brenzlig». Archivbilder: Familienalbum Hunziker