Bildbericht: Monica Dörig, Anzeigeblatt
«Schöne Ferien!» wünschen sich die Frauen mit strahlenden Gesichtern. Sie haben das Schulzimmer aufgeräumt und ihre Näharbeiten eingepackt, denn sie haben zwei Wochen Ferien vom Nähkurs in Niederteufen.
Seit Januar lernen vier Flüchtlingsfrauen und ein Mädchen hier einfache Kleidungsstücke zu nähen. Unter der Anleitung von Schneiderin Sibylle Badertscher aus Trogen und weiteren freiwillig Helfenden wie Sabina Dörig, ebenfalls gelernte Schneiderin, und der erfahrenen Hobby-Schneiderin Ingrid Pinkwasser fertigten sie T-Shirts, Röcke oder Pijamahosen an.
Die feinen Trikotstoffe haben sie geschenkt bekommen. Die Gemeinde überlässt ihnen jeden Mittwochnachmittag das Handarbeitszimmer und die Nähmaschinen, aber auch Mercerie-Artikel wie etwa Nähfäden.
Die in Teufen wohnhafte Maya Leu vom «Runden Tisch für Geflüchtete im Rotbachtal» hat schon Sprachkurse für Asylsuchende organisiert, «Lismiträffs», ein Veloprojekt und Mu-Ki-Deutschkurse oder sie begleitet Geflüchtete im Alltag. Jetzt hat sie Nähkurse für asylsuchende Frauen im Rotbachtal ermöglicht. Seit Januar lernen Frauen aus verschiedenen Herkunftsländern in einem Schulzimmer in Niederteufen unter fachkundiger Anleitung einfache Kleidungsstücke zu nähen oder zu flicken.
Lernen ohne viele Worte
Konzentriert arbeiten die Frauen, die in Gais und Niederteufen wohnen. Sie sprechen mehr oder weniger gut Deutsch. «Aber wir verstehen uns trotzdem sehr gut», sagt Sabina Dörig lachend. Nähen hat den Vorteil, dass man Vieles ohne erklärende Worte zeigen kann.
Um sich erste Kenntnisse im Gebrauch einer Nähmaschine anzueignen, nähten die Frauen zunächst eine schlichte Stofftasche. «Sabrin hat sie immer dabei», freut sich Sibylle Badertscher. Die junge Muslima aus Eritrea näht nun mit viel Freude eine blaue Trikothose für sich. Die Mutter eines Babys lebt seit eineinhalb Jahren im Rotbachtal.
Die Frauen heften Säume, schneiden Hosenbeine zu und versäubern Nähte nach Anleitung der Fachfrauen. Für Khadi, eine Juristin und Russischlehrerin aus der Republik Iguschetien im Nordkaukasus, ist der Nähkurs eine willkommene Abwechslung zum Alltag und auch eine Sparmöglichkeit, wie sie erklärt. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kleinkindern von Nothilfe. Änderungen oder Flickarbeiten an ihren wenigen Kleidern von einer Schneiderin erledigen zu lassen, sei zu teuer. Seit fünf Jahren hofft die Familie, in der Schweiz bleiben zu dürfen. Das sei zermürbend, sagt sie.
Verschiedene Schicksale
Rajaa und ihre Tochter Schahed konnten vor zehn Monaten dank Familiennachzug mit dem Flugzeug via Libanon in die Schweiz einreisen. Das Familienoberhaupt war mit einem Sohn anderthalb Jahre zuvor aus Damaskus geflohen. Das Mädchen erzählt in beeindruckend gutem Deutsch, dass ihr Vater und ihr Bruder eine gefährliche Überfahrt übers Meer in einem winzigen Boot zu bewältigen hatten. Ihre Mutter war in Syrien Lehrerin gewesen.
Schahed geht nun in Gais in die Primarschule und dort auch in den Handarbeitsunterricht. Sie liebt das Nähen. Damit sie das auch in ihrer Freizeit tun kann, bekam sie eine ausgediente Nähmaschine zur Verfügung gestellt.
Auch Khadija Jafari aus Afghanistan ist eine erfahrene Näherin. Sie geht routiniert und exakt ans Werk. Sie wohnt mit ihrer Familie, zu der ein sechsjähriger Sohn und eine anderthalbjährige Tochter gehören, seit zwei Jahren in Gais.
Ahins kleine Tochter ist ebenfalls hier zur Welt gekommen. Die syrische Kurdin näht für sie ein Kleidchen aus rotem Samt. Die Familie kam vor zweieinhalb Jahren in die Schweiz. Auch Ahin kann auf Näh-Erfahrung zurückgreifen. Sie habe schon Vorhänge und Kissen genäht, erzählt sie stolz. «In Syrien habe ich jedoch keine eigene Nähmaschine gehabt.»