Der «Ochsen» - eine Familien- und Wirtschaftsgeschichte

05.04.2012 | Erika Preisig-Studach
Die Firmengruender Frieda und Otto Sutter vor dem Stammhaus, ca
Die Firmengründer Frieda und Otto Sutter vor dem Stammhaus, ca. 1915

Bevor im Mai der neue «Ochsen» mit dem «Spar», der Kinderarztpraxis und den Wohnungen eröffnet wird, ein nostalgischer Blick zurück in die Geschichte der Liegenschaft.

Die Firmengründer Frieda und Otto Sutter vor dem Stammhaus, ca. 1915.

Ein «Textiler» wird Metzger

Nach seiner Heirat mit der Weinfelderin Frieda Haffter kaufte der aus der Bühlerer Textilfabrikanten-Familie stammende Otto Sutter am 1. April 1909 die Metzgerei «Zum Ochsen» in Teufen. Leider verstarb die junge Metzgersfrau bereits 1918, erst 34-jährig.

Ein Jahr später heiratete der Firmengründer ein zweites Mal. Katharina Zellweger wurde für Sohn Ernst und Tochter Erna zur Stiefmutter. Während über 20 Jahren baute Otto Sutter die kleine Dorfmetzgerei mit dem Wirtschaftsbetrieb sukzessive und sorgfältig auf.

Ernst Sutter-Brenner – der Draufgänger

Exakt 26 Jahre später, am 1. April 1935, trat Sohn Ernst (1909 –1976) in seine Fussstapfen. Damit begann für das Familienunternehmen eine völlig neue Ära, der Beginn einer imposanten Erfolgsgeschichte. Der junge Ernst erlernte den Beruf des Mechanikers und war anschliessend als Schiffsmechaniker unterwegs in aller Welt. Zurück in der Heimat, machte er eine Zusatzlehre als Metzger in Weinfelden, wo er seine Frau Lydia Brenner kennenlernte.

Der junge Ernst Sutter zeigte Mut, denn in seinen Adern pulsierte Innovationsgeist. Noch wenige Tage vor der Hochzeit riss er die alten Metzgereiräumlichkeiten hinter dem Ochsen mit Pickel, Axt und Fuchsschwanz eigenhändig ab. Auch der letzte im Kanton noch bestehende Eisturm musste weichen. Anschliessend erfolgte sofort der Neubau von Laden, Kühlräumen, eines Gefrierraums, der Wursterei, einer Räucherei und des Schlachthauses. Jährlich baute er weiter aus, investierte in Gebäude und Einrichtungen.

Ernst und Lydia Sutter-Brenner vor ihrer Metzgerei

Der Ausbruch des 2. Weltkriegs legte seine Expansionspläne vorübergehend lahm. Von 1939 –1945 leistete der junge Ernst insgesamt 693 Aktivdiensttage – eine lange Zeit für einen aufstrebenden Jungunternehmer. Während dieser Zeit zeigte sich die Stärke seiner Frau Lydia. Sie übernahm mit Hilfe ihres Schwiegervaters Otto sofort die Verantwortung über den Geschäftsbetrieb, obwohl sie sich zusätzlich noch um die Erziehung ihrer mittlerweile drei Kinder im Alter von ein bis neun Jahren kümmern musste.

Wirtschaftswunderzeit

Einige Jahre nach Kriegsende, 1951, konnte Ernst Sutter zwei Nachbarliegenschaften erwerben. Ein weiterer Expansionsschub stand vor der Tür. 1955 entstanden ein neues Schlachthaus, moderne Arbeitsräume sowie Kühl-, Gefrier und Klimaanlagen. 1957 wagten sich die Sutters erstmals an die OLMA.

Die Metzgereien Sutter und Höhener an der Gewerbeausstellung 1954. Alle Bilder aus dem Familienarchiv Sutter.

Am 1. Oktober 1958 brach im Dachstock des Ochsen ein Feuer aus, verursacht durch das Wegwerfen eines Zündholzes durch einen Metzgerburschen. Doch dieses Unglück brachte die Chance, im Dachgeschoss weitere Hotelzimmer einzubauen. Der nächste Schritt war der Einstieg ins Engros-Geschäft. Dies brauchte Mut, denn Lieferungen an die rasch aufsteigende Migros lösten in Gewerblerkreisen heftige Reaktionen aus.

Ernst Sutter wagte es trotzdem, den neuen orangen Riesen zu beliefern, allerdings erst nur heimlich, nachts und im Versteckten. Und prompt wurde er aus dem Gewerbeverband ausgeschlossen.

Dritte Generation – Ernst Sutter AG

Ab 1960 stiess der Vertreter der dritten Generation, Ernst Sutter-Alder (1935 –1995) zum Familienunternehmen. 1964 wurde klar, dass nur eine Betriebsverlegung und ein kompletter Neubau das Raumproblem lösen könnten. Projekte im Dorfkern von Teufen wurden entweder behördlicherseits abgelehnt oder von den Verantwortlichen selber als zu wenig befriedigend wieder verworfen.

Im gleichen Jahr wandelte man die bisherige Einzelfirma in die neu gegründete Ernst Sutter AG in Teufen um. Als neuer Geschäftsführer amtete fortan der jung verheiratete Ernst Sutter jun. (dritte Generation), zusammen mit seiner Frau Margrit, welche für die gesamte Administration verantwortlich war.

Der älteste Sohn ihrer drei Kinder (vierte Generation), traditionsgemäss wiederum mit Vornamen Ernst, ist der heutige oberste Verantwortliche der Ernst Sutter Gruppe, sein Bruder Reto leitet die Suttero AG und die Schwester Barbara Ehrbar-Sutter blieb ebenfalls dem Metzgerei- und dem Gastgewerbe ihrer Vorfahren treu, mit dem Erwerb der Metzgereien Breitenmoser und des Restaurants «Anker» .

1975 – Aussiedlung in Gossau

Im Sommer 1975 erfolgte der Landkauf durch die in Gründung stehende, neue Ernst Sutter AG, Fleischwarenfabrik in Gossau. Nach nur neunmonatiger Bauzeit wurden die neuen Räumlichkeiten in Gossau in Betrieb genommen. Damit verliess die Firma ihren Teufner Standort, blieb jedoch Besitzerin der Ochsen-Liegenschaft, und Teufen blieb die Wohngemeinde für (fast) die ganze Sutter-Familie.

Quellen:
Festschrift 100 Jahre Suttero, 2009. 
Elisabeth Eschler-Sutter, Teufen

Ochsen – Metzgerei und Wirtschaft

Der Ochsen hatte unter Lydia und Ernst Sutter einen ausgezeichneten Ruf über das Dorf hinaus. Das Arbeitspensum, das Lydia Sutter zu bewältigen hatte, mit Metzgerei und Wirtschaft und dazu den vier Kindern, ist aus heutiger Sicht unvorstellbar. Lediglich an zwei Tagen im Jahr, an Ostern und an Weihnachten war der Betrieb geschlossen! Lydia kochte ausgezeichnet, mittags und abends war das Restaurant meistens voll besetzt. Und in der Metzgerei gab sie ihre Rezepte an die Kundinnen weiter. Viele Frauen beteuerten, dass sie erst durch Lydia Sutter das Kochen erlernt hätten. Auch ihr temperamentvoller Ehemann Ernst lockte mit seinem Charme die Kundinnen in die Metzgerei.

Werche, Goofe!

Elisabeth Eschler-Sutter erzählt, wie sie in ihrer Freizeit im Betrieb mithelfen musste. Vor allem sie als Mädchen sei natürlich noch mehr «ghäässe» worden als ihre drei Brüder Ernst, Werner und Hansueli. Sie erinnert sich an die langen Mittwochnachmittage im Schlachthaus: Därme putzen, Därme spreizen beim Einfüllen der Blutwürste, Fleisch austragen, im Service mithelfen … Doch geschadet habe ihr das nicht, im Gegenteil, sie habe eine schöne Jugend gehabt, findet sie. Immer sei etwas gelaufen, auch auf dem Turnplatz, dem Treffpunkt der Kinder hinter dem Haus. EP

Die Familiengeschichte Sutter wird im Anker weitergeführt:

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«Ich wünsche mir, dass sich Teufen einen Ruck gibt»

Interview mit Barbara Ehrbar-Sutter zur Wiedereröffnung des Ankers. weiterlesen…

3. 04. 2012

 

Hier geht’s zur Galerie 1909 – 1976 Der alte Ochsen

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