Bildbericht: Erich Gmünder
Berühmt wurden die Baumeister Grubenmann aus Teufen nicht nur wegen ihrer Brücken. Einzigartig für jene Zeit waren auch ihre Kirchendachstühle. Das zeigt eine Forschungsarbeit von Architekturstudenten des Forschungslabors IBOIS an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Lausanne. Am Sonntag wurden die Arbeit (in Buchform) sowie die dabei entstandenen Modelle vorgestellt. Sie sind eingebettet in künstlerische Installationen.
Der erste Blick ist leicht verwirrend. Luftige Gebilde aus Holz hemmen den Schritt und verstellen vorerst die Sicht auf die Modelle. Die Holzverstrebungen bestehen aus gewöhnlichen Dachlatten. Erst wenn man näher tritt, kam man die Modelle genauer betrachten.
„Hier wurde offensichtlich mit viel Lust und mutmasslich mit Humor konstruiert“, sagte Kurator Ueli Vogt in seiner Einführung. Den Künstlern standen insgesamt ein Kilometer rohe Dachlatten zur Verfügung.
Die raumgreifenden Installationen bilden einen starken Kontrast zu den präzisen, millimetergenauen Modellen in ihrem Innern und erzeugen Spannung. Die Arbeit wurde vom Künstlerkollektiv FMSW (Lina Faller, Marcel Mieth, Thomas Stüssi (Teufen) und Susanne Weck erstellt.
Denkmuster durchbrechen
Weitere künstlerische Beiträge lieferten die Künstler Alex Hanimann, Monika Spiess, Christina Witzig und Birgit Widmer.
Oben an der Stirnseite der Seitenschiffe läuft ein Text (Alex Hanimann), die Buchstaben aus schlichten, weissen Stäben zusammengesetzt, der kaum auf Anhieb zu entziffern ist. „We need to talk, we have to keep talking and we will find e solution.“ Eine allgemeine Haltung, die wohl speziell auch auf die Zusammenarbeit von Bauingenieuren und Architekten zutreffe, wie Ueli Vogt sagte: „Me mönd rede, me mönd im Gspröch bliibe, me findet scho e Lösig.“
Städtebaumodellen ähneln die treppenähnlichen Skulpturen von Monika Spiess aus Papier, von Hand mit Bleistift liniert. Birgit Widmer hat aus Strohhalmen luftige Hausgebilde geschaffen, welche nun in jedem Geschoss hängen. Und Christina Witzig kombiniert in ihrer Textprojektion Zitate aus der Grubenmann-Literatur mit persönlichen Aussagen von Rosmarie Nüesch-Gautschi. Kunst – so Ueli Vogt, um vermeintlich Bekanntes zu entschlüsseln, Denkmuster zu durchbrechen und unser Denken in Schwung zu bringen.
15 Dachstühle präzise rekonstruiert
Im Zentrum der Ausstellung stehen jedoch die Modelle und das Buch (mit Einleitung von Rosmarie Nüesch-Gautschi), das die Dachstühle der einzelnen Kirchen – darunter auch jene von Teufen und Trogen – fotografisch dokumentiert und die Rekonstruktion mit den Plänen und Fotos der Modelle illustriert.
15 Dachstühle von Kirchen in der ganzen Schweiz wurden dazu von den Architekturstudenten und ihrem Professor, Architekt und Bauingenieur Yves Weinand ausgewählt und genauer untersucht. Dabei beliessen sie es nicht nur bei Besuchen und fotografischen Aufnahmen, sondern die Dachstühle wurden ausgemessen und präzise digital erfasst. Aufgrund der Pläne wurden die Dachstühle im Modellformat massstabgetreu rekonstruiert.
Grubenmann: „Künstler-Ingenieure“
Die wohl schwierigste Arbeit folgte danach: Aufgrund der Forschungserkenntnisse wurden die Studenten aufgefordert, eigene Tragwerksysteme zu entwickeln, die sich jedoch an den Werken der Grubenmanns orientieren sollten. Diese wurden ebenfalls in digitalisierte Pläne und dreidimensionale Modelle umgesetzt und verblüffen zum Teil mit fantasievollen Formen.
Was heute an Hochschulen und Universitäten in Sachen Statik und Konstruktion gelehrt wird, das hatten die Baumeister Grubenmann quasi im Blut. Sie beobachteten zwar bestehende Bauwerke, testeten ihre Pläne erst an Modellen und lernten daraus, verliessen sich aber weitgehend auf ein intuitives Verständnis ihrer Konstruktionen. Zu einem Zeitpunkt (im 18. Jahrhundert), als die Grundlagen der Statik und der Festigkeitslehre noch nicht etabliert waren, entstanden Konstruktionen, die erst mit den Methoden des 20. Jahrhunderts erfasst werden konnten, wie Professor Weinand im Buch schreibt.
Die Grubenmanns, ursprünglich Zimmerleute, vereinigten mehrere kreative Berufe in sich, so Yves Weinand: Sie waren Wissenschaftler, Erfinder und Techniker – und zudem auch Generalunternehmer. Die Rekonstruktion zeige aber auch, dass die Ingenieure in der Barockzeit gleichzeitig auch Künstler waren, sogenannte „Künstleringenieure“, welche gleichermassen über technische wie künstlerische Kenntnisse verfügten.
Die Ausstellung Projekt Grubenmann dauert bis zum 12. Februar 2017.
[grauer-kasten title=“Das Buch“ text=“ Das 200-seitige Buch Projekt Grubenmann / Grubenmann Project wurde vom Büro TGG (Matthias Christ und Roland Stieger) gestaltet und erscheint zweisprachig (deutsch/englisch). Es wird herausgegeben von der Stiftung Grubenmann-Sammlung. Verlag und Vertrieb durch die VGS Verlagsgenossenschaft St. Gallen.“ ]