Stefan Würth*
Wonnenstein, Lortanne, Hörli, Gäbris. Die Siedlungs- und Flurnamen der Umgebung begleiten uns durch den Alltag. Sie gehören zum Vertrautesten. Jeder verwendet sie von Kindsbeinen an, um sich im Raum zu orientieren – oft ohne sich ihrer Bedeutung und Herkunft bewusst zu sein.
Wer an einen neuen Ort zieht, muss als erstes ein neues Set wichtiger Ortsnamen kennenlernen. Das Motiv hinter den Namen spielt dabei keine grosse Rolle. Man muss nicht wissen, was mundartlich Loortanne bedeutet, um den Ort Lortanne zu finden. Doch die mitschwingende ursprüngliche Bedeutung und der Klang des Namens schaffen für viele einen intimen Bezug.
Da ein grosser Teil der Orts- und Flurnamen alt ist, wirkt ihr Klang oft ungewohnt, und vielfach weiss man nicht mehr, was sie einst bedeuteten. Es sind Relikte einer fremden Zeit. In unserem kleinen Lexikon soll etwas Licht ins Dunkel der Motive von Orts- und Flurnamen der Gemeinde Teufen gebracht werden.
Battenhaus, Beckenhüsli, Bridenhaus, Gähleren, Häuslersegg, Jonenbüel, Kernenmoos, Schlatterlehn, Spiessenrüti, Stäheli, WellenrütiDas häufigste Motiv in Ortsnamen bilden Besitzer oder Lehensnehmer. s Battehuus war das Haus des Batt (Koseform von Beat), s Be-ckehüsli dasjenige der Familie Beck oder des Bäckers, und im Bridehuus lebte Brida (Koseform von Brigitte). In der abgelegenen Hüslersegg wohnten möglicherweise Tagelöhner, sogenannte Hüüsler, in einfachen kleinen Häusern zur Miete. Allerdings ist Hüüsler auch ein Spitzname von Familienzweigen der Familien Zürcher und Signer. In der Nachbargemeinde Schlatt-Haslen gibt es die Ortsnamen Hüslersweid, Hüslersuelis und Hüslers. Der Jooneböel (Jonenbüel) gehörte dem Joon (Koseform von Johann oder Johannes), s Chörnemoos war Feuchtland der Familie Kern, de Schlatterlee Lehensgut der Familie Schlatter, und Im Stäheli der Hof der Familie Stäheli. In den Höfen Spiessenrüti wohnte lange Zeit die Familie Spiess. Der Name der Höfe Wälerüti im Osten des Dorfes ist schon vor 1300 belegt. Er bezeugt die Rodung (Rüti), mit welcher die Flächen urbar gemacht wurden, und den Besitzer mit dem mittelalterlichen Personennamen Welo, dem das Land gehörte. Im Gegensatz zu Schwendi (s. Hagenschwendi) oder Brand sagt Rüti nichts über die Technik aus, mit der gerodet wurde. Im 14. Jh. ist der Ortsname i de Gäälere belegt, der Besitz der Familie Gähler benannte. Während der Personenname Welo längst ausgestorben ist, wohnt ein Teil des Geschlechts Gähler noch heute in Teufen.
Blatten
1390 erstmals belegter Name des Gebiets unterhalb der Hauptstrasse zwischen Niederteufen und Teufen. I de Blatte bezieht sich auf die ebene Kuppe des Büels. Der Namentyp Blatte ist verbreitet für die Benennung von Hochflächen. Mittelhochdeutsch blatte wurde für etwas «Plattes», also Flaches verwendet, beispielsweise den Brustpanzer der Ritter, in den meisten Fällen aber die Tonsur der Mönche. Teils entwickelte sich das Wort sogar zu einer Bezeichnung für den Mönch selbst. Als die Namengeber von Blatten in Teufen die flache Kappe des Büels beschrieben, verglichen sie sie dabei möglicherweise mit der Tonsur der Mönche (wenn beispielsweise ein Baumkranz die abgeholzte Kuppe umgab). Der Haarkranz der Ordensgeistlichen (corona clericalis ) wurde von vielen Mönchen als Nachbild der Dornenkrone Christi empfunden.Bleichi
In der Bläächi im Osten des Dorfes wurde gebrauchtes oder neues Baumwoll- und Leinengewebe gebleicht, indem man es auf der Wiese auslegte und mit Wasser aus dem Goldibach fortzu begoss. Sonnenlicht und Luft verwandelten Teile des Wassers zu bleichewirksamen Peroxiden. Nach ein bis acht Monaten hatten die Tücher den gewünschten Weissegrad erlangt. Das Bleichen wurde vor allem vom St. Galler Leinwandgewerbe sehr rege betrieben und nahm auch im Appenzellerland viele freie Flächen in Beschlag. Allein an der Sitter betrieb es im 18. Jh. acht Bleichen. Im 16. Jh. wurde in St. Gallen geklagt, es herrsche Milchmangel, weil viele Allmenden als Bleichen und Pferdeweiden und nicht als Kuhweiden verwendet würden. Mancherorts war es ausdrücklich verboten, am Sonntag Tücher zur Bleiche zu bringen.Elm
Höfe am Goldibach. Elm und Elme sind alte Formen für Ulme. Das Geschlecht des Namens ist sächlich (im Elm). Das Elm bezeichnete im Gegensatz zu der Elm(e) nicht den einzelnen Baum, sondern ein Ulmenwäldchen.Fadenrain
Es wird zuweilen gemutmasst, der Hof- und Flurname Fader.. im Gebiet Unter der Strasse habe wie jener der Bleichi seinen Ursprung in der Textilindustrie. Das alte schweizerdeutsche Wort Fade ist aber ein Homonym (gleichlautend, aber mit anderer Bedeutung) und bezeichnete nicht den Nähfaden, sondern den Zaun, und zwar vor allem den Grenzzaun eines Grundstücks, der regelmässig von Amts wegen geprüft wurde. Der Flur- und Hofname Fader.. benannte vermutlich einen Hang (Rain), auf dem sich ein Grenzzaun befand.Gäbris
Der Bergname Gäbris in der Gemeinde Gais könnte zusammen mit dem Weilernamen Gabris im Kanton Thurgau das Relikt eines grossen keltischen Raumnamens *gabräta «Lebensraum von Böcken oder Ziegen» sein, der das bergige Waldgebiet zwischen dem Bodensee und dem Alpsteingebirge bezeichnet hätte, in dem auch das heutige Teufen lag. Einen Namensvetter des Nordostschweizer Toponyms *Gabräta nennt im 2. Jh. Ptolemäus. Gabräta hylä erscheint bei ihm als Name des heutigen Böhmerwalds.Gern
Das Wort Gehren kennt man heute noch als Bezeichnung für ein keilförmiges Stück. Es geht zurück auf *gaizaz, den Speer der Germanen. Bei der Bedeutung «keilförmiges Stück» handelt es sich um eine Bedeutungsverengung, die von der Dreiecksfläche der eisernen Speerspitze ausgeht. Noch im Mittelalter benannte gär aber neben dem keilförmigen Stück auch den alten mit breiter Eisenspitze versehenen Kriegerspeer, den man zum Stossen und Werfen verwendete. Die Waffe wurde vom moderneren spär des Ritters verdrängt, erschien aber im 13. Jh. noch in der Heldendichtung. «dä sluoc gär wider gär» («da schlug Speer gegen Speer») heisst es in einer Abschrift der Kaiserchronik. 1255 wird Gern ob Teufen erstmals in einer Urkunde genannt (die wir noch als Abschrift aus dem 14. Jh. besitzen). Betrachtet man sich die langgezogene Geländekante, die zum Hof Gern hinführt, glaubt man förmlich, den hölzernen Schaft des mittelalterlichen Speeres vor sich zu haben.Gmünden
Terrasse oberhalb der Einmündung des Rotbachs in die Sitter. 1884 wurde hier die Zwangsanstalt für «liderliche und arbeitsscheue Männer» eröffnet, aus der sich die Strafanstalt Gmünden entwickelte. Der Name I de Gmönde geht zurück auf eine mittelhochdeutsche Form in gemünden «bei den Mündungen». Gemünde ist eine Kollektivbildung zu mittelhochdeutsch munt «Mund, Mündung, Öffnung» nach dem gleichen Muster wie Gebirge zu Berg. Der Ort wurde also nach einer Gruppe von Mündungen benannt. Es gibt neben dem Rotbach kleinere Bäche, die hier in die Sitter fliessen. Möglicherweise ist auch der nicht weit flussabwärts folgende Zusammenfluss von Sitter und Urnäsch mitgemeint.Hagenschwendi
Höfe unterhalb der Frölichsegg, 1390 erstmals belegt und im 15. Jh. als Eigengut ausgewiesen, d. h. als Besitz im Gegensatz zum Lehen. Der Name erinnert an die Rodung durch Abschälen der Rinde und anschliessendes Absterbenlassen der Bäume (schweizerdeutsch t Schwendi). Ausserdem wurde hier ein Zuchtstier (schweizerdeutsch de Hage) gehalten.HörliIm Hörli ist heute ein respektabler Dorfteil, der das grosse Schulhaus aus den 10er-Jahren des 20. Jh. und das Kirchgemeindehaus beheimatet. Noch im 18. freilich schrieb der Zürcher Bankier, Bürgermeister und Gelehrte Johann Jacob Leu, im Hörli befänden sich «mindere Häuser und Güther». Den Grund dafür teilt uns der Name des Dorfteils mit. Im 14. Jh. lautete seine Form noch am hürlin. Dabei handelt es sich um eine Verkleinerungsform daz hürlin zum mittelhochdeutschen Wort daz hor, welches schlammigen, feuchten Boden bezeichnet, den man als schmutzig und unangenehm empfand. Aufgrund von Meliorationen, Teerungen und Bepflasterungen hat sich der Charakter solcher Gebiete aber bis heute meist verändert.