Erich Gmünder
Ein Nachmittag Mitte November 2015: In der guten Stube von Rosmarie Nüesch-Gautschi treffen sich fünf Leute, um dem heutigen Chefredaktor aus der Gründungszeit der Tüüfner Poscht zu erzählen und Erinnerungen auszutauschen. Genau 20 Jahre früher, im November 1995, hatten die fünf zusammen mit den vier weiteren Mitgliedern der neunköpfigen Redaktion die erste Ausgabe der «neuen Teufner Dorfzeitung» (so der Arbeitstitel) gestemmt.
Eine «Riesenfreude» sei das gewesen, als sie das Blatt erstmals in den Händen gehalten hätten, und mächtig stolz seien sie gewesen, erzählt Rosmarie Nüesch.
Das Blatt erschien zweifarbig, schwarz und gelb, eine der Wappenfarben Teufens – und trug noch keinen Zeitungstitel.
Namenwahl als Politikum
«Das Kind ist geboren. Es ist gesund auf die vorweihnächtliche Teufner Welt gekommen, wiegt stolze 20 Seiten und misst 230 x 320 mm. Nun braucht der Sprössling ‹nur› noch einen Namen. Wie ‹taufen› wir das neue Gemeindeblatt?», schrieb Chefredaktor Gäbi Lutz in prosaischen Worten.
Aus der Not machte man eine Tugend: Die Bevölkerung von Teufen wurde eingeladen, in einem Namenwettbewerb Vorschläge einzubringen. Der Aufruf stiess auf grosses Interesse, nicht zuletzt auch, weil es wertvolle Preise vom einheimischen Gewerbe zu gewinnen gab, das zudem mit sechs Seiten Inseraten dem neuen Zeitungskind Pate stand.
Dutzende Vorschläge gingen ein. Die Auswahl entwickelte sich zum Politikum. «Tüüfner Bläss», wie der damals in Teufen wohnhafte Künstler Hans Schweizer vorschlug? Dieser Vorschlag genoss in der Redaktion am meisten Sympathie, erinnert sich Gaby Bucher. Doch dem Gemeinderat, dem sie selber angehörte, war dies offenbar unangenehm – man habe wohl befürchtet, dass darin zuviel Kritik zu lesen gewesen wäre.
Als «Zückerchen» habe man dem Gemeinderat die Auswahl überlassen. Schliesslich habe sich eine Gemeinderatsmehrheit für «Tüüfner Poscht» ausgesprochen. Gaby Bucher fand persönlich keinen Gefallen daran, wie sie entwaffnend offen erzählt. Zu sehr habe sie der Zeitungstitel an die Illustrierte «Glückspost» erinnert.
Zurück zu den Anfängen
Der Auslöser für eine eigene Dorfzeitung sei eigentlich ganz banal gewesen, erinnert sich Erika Preisig. Georges Winkelmann führte damals für die Gemeinde eine Art Veranstaltungskalender, womit die Termine der Vereine koordiniert werden sollten. Dieser wurde allerdings nur in kleiner Auflage kopiert, an verschiedenen Stellen aufgelegt und der Presse zur Verfügung gestellt.
Georges hätte sich eine grössere Verbreitung gewünscht. Schon anfangs der 90er-Jahre habe man sich Gedanken gemacht, wie dies geschehen könnte. Diese Idee griff Erika Preisig auf: Eine Dorfzeitung sollte es sein. Mit Veranstaltungskalender als regelmässige Rubrik, aber man wünschte sich ein Forum für alle Teufner, vor allem auch, um den Zusammenhalt in der Bevölkerung zu stärken und die auseinander driftenden Dorfteile zusammen zu halten.
Im Frühling 1995 wurde die Idee erstmals an einer Sitzung der Kulturkommission eingebracht und fiel auf guten Boden.
Skepsis
Doch im Gemeinderat habe man das nicht gleich gesehen. «Das kannst du vergessen, das stirbt so schnell, wie es gekommen ist», habe ihr der damalige Gemeindeschreiber von der Idee abgeraten. Gaby Bucher, im Jahr zuvor in die Behörde gewählt, liess sich nicht kleinkriegen. Auf einer Wanderung anlässlich des traditionellen Sommerausflugs des Gemeinderates habe sie jeden Gemeinderat einzeln «bearbeitet» und schliesslich das Gremium für die Idee gewinnen können, erzählt sie schmunzelnd.
Gaby Bucher sei mit ihrem beherzten Auftreten ein Glücksfall gewesen, erinnert sich Georges Winkelmann. Plötzlich sei es nämlich schnell gegangen, «wie ein Vulkan» habe die Idee gezündet und rasch habe man namhafte Leute dafür gewinnen können. «Es war, wie wenn plötzlich ein Knopf aufgehen würde.»
Doch selbst in der Kulturkommission habe es eine kritische Stimme gegeben. Ein prominentes Mitglied, der Historiker Peter Wegelin, sei aus medienpolitischen Gründen dagegen gewesen. Er befürchtete, dass die Dorfzeitung den Tageszeitungen Inserenten abspenstig machen und damit deren Existenz bedrohen könnte.
Knappe Ressourcen
Der Gemeinderat habe sich schliesslich auch finanziell grosszügig gezeigt und Weitsichtigkeit bewiesen. Die Redaktionskommission machte sich nun an die Arbeit, holte Offerten für das Layout und den Druck ein und liess sich vom Redaktor des Heidler Gemeindeblattes, Roger Sonderegger beraten. Für die Gestaltung wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, den Peter Renn gewann und umsetzte.
Wichtig war der Gründergeneration, möglichst rasch auf eigenen Beinen zu stehen und Finanzierungsquellen zu erschliessen sprich Inserate zu verkaufen. Bei den Preisen habe man sich an anderen Gemeindeblättern orientiert. Doch viele Teufner Betriebe hätten die Preise zu hoch gefunden. Daran sei das Projekt beinahe gescheitert. «Es war eine Zitterpartie », erinnert sich Gaby Bucher.
Es sei zäh gewesen, die Inserate hereinzuholen, bestätigt Erika Preisig, die am Anfang auch für die Akquisition zuständig war. «Klinkenputzen» habe ihr gar nicht gelegen. Erschwerend kam dazu, dass es das Produkt bisher noch gar nicht gegeben hatte. Mit Ach und Krach brachte man dann aber für die erste Nummer doch sechs Inserateseiten zusammen. «Lorbeeren gehen an Erika Preisig, deren Geisteskind das Blatt ja ist und die auch die Akquisition der Inserate besorgt hat», schrieb denn auch der Aktuar Armin Hofstetter im Protokoll der Sitzung der Kulturkommission vom 22. November 1995.
Sparen war und blieb ein Dauerthema: Weil man die hohen Litho- und Druckkosten scheute, wurde die Zeitung viele Jahre nur zweifarbig gedruckt. «Gespart» wurde auch bei den Buchstaben für den Titel. Die ersten Jahre wurde «Tüfner Poscht» nur mit einem ü geschrieben, wobei man sich auf die Meinung von Professor Wegelin abstützte. Erst später setzte sich die heutige Schreibweise mit zwei ü durch, dies nachdem sich die Dialektspezialistin und Verlegerin Ida Niggli, die in Teufen aufgewachsen war, dafür stark machte.
Ein «Sprachrohr» – für alle
«Ein Forum für alle Teufnerinnen und Teufner » sollte die Dorfzeitung sein, «ein Forum für die verschiedenen politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Strömungen in unserer Gemeinde», schrieb Gäbi Lutz in seinem Leitartikel auf S. 1 der Nullnummer. Ziel des Blattes sei «eine vertiefte Abdeckung der Informationsbedürfnisse in der Gemeinde Teufen. Die neue Dorfzeitung will frei gewählte Themen aufgreifen, die von breitem lokalem Interesse sind. Damit sollen Diskussionen angeregt und ein gewisses Verbundenheitsgefühl zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen erreicht werden. Alle Teufnerinnen und Teufner – politische Behörden, Schule, Musikschule, Kirche, Vereine, soziale und kulturelle Institutionen, Jugend und Senioren sowie Gewerbe und Wirtschaft – finden in diesem neuen Medium ein Sprachrohr.»
Die Nullnummer
Diesem Ziel versuchte das neunköpfige Redaktionsteam (das sich auf einer Foto vorstellte) mit Reportagen und Interviews nachzukommen, oder indem Rubriken wie der Tüüfner Chopf oder «Historisches» geschaffen wurden. Rosmarie Nüesch schlug diese Rubrik vor und verfasste selber zahlreiche Beiträge, um die Geschichte der Gemeinde lebendig zu halten.
Der erste Artikel stammte jedoch von Peter Wegelin. Unter dem Titel «Den Säntis vor Augen» schilderte er die Geschichte des «Teufner Weltblatts», dem «Säntis», der 25 Jahre zuvor eingegangen war und dessen leuchtendes Vorbild dem jungen Zeitungskind quasi zu Gevatter stand.
In der ersten Ausgabe wurden im Weiteren das neue Gemeindereglement vorgestellt, über die Eröffnung der Ludothek (im Zivilschutzkeller unter der Post) berichtet; die evangelische Kirche lancierte eine Umfrage zur Pfarrwahl (mit Grafik von Wilfried Schnetzler); der Jugendtreff «Squat» stellte sich vor; Yvonne Kunz vom Weinkabinett hiess der erste Tüüfner Chopf; die «Blume» (mit Marion Schmidgall und Cornel Mäder) und der «Schützengarten» (mit Irene und Christian Guler-Pelican) erhielten neue Pächter, die Schule führte eine neuartige Schülerbeurteilung ein, und Waldegg-Wirt Niklaus Dörig verriet ein Rezept.
Und selbstverständlich durfte der umfangreiche Veranstaltungskalender auf der letzten Seite nicht fehlen.
Die erste Macher-Generation
Hinter der Herausgabe der Nullnummer, welche anfangs Dezember 1995 gestreut wurde, stand eine neunköpfige Redaktion, die sogenannte Redaktionskommission, der neben dem freien Journalisten und Chefredaktor Gäbi Lutz und dem Typografen (Gestalter) Peter Renn kulturell interessierte Teufnerinnen und Teufner angehörten: Gaby Bucher, Gemeinderätin und Präsidentin der Kulturkommission, Erika Preisig, Leiterin Gemeindebibliothek, Rosmarie Nüesch-Gautschi, Denkmalpflegerin/Leiterin Grubenmann-Sammlung; Brigitte Tobler-Brander, Lehrerin; Georges Winkelmann, Stationsbeamter AB/Verkehrsverein, Andreas Heller, Redaktor NZZ-Folio und Wilfried Schnetzler, Leiter Musikschule Mittelland.
Gäbi Lutz (1951–2010), der erste Chefredaktor
Ein Glücksfall, da sind sich die fünf 20 Jahre später einig, war auch, dass die Stelle des ersten Chefredaktors mit Gäbi Lutz (bis 2010) besetzt werden konnte. Dieser fand nach langjähriger Tätigkeit für die Appenzeller Zeitung in Teufen ein neues journalistisches Feld und trug 15 Jahre lang mit viel Herzblut und einem unverbrauchten Team dazu bei, dass sich die Tüüfner Poscht bald als Dorfzeitung unverzichtbar machte.
Rainer Isler: «Den Puls des Volkes fühlen»
Unter dem Titel «Der Gemeindehauptmann hat das Wort» gratulierte Rainer Isler dem Team und räumte ein, dass er vorerst ebenfalls skeptisch auf die Idee eines Teufner Gemeindeblattes reagiert hatte; dies im «Wissen um die grosse Arbeit hinter der gutgemeinten Idee». «Als ich dann aber feststellte, dass sich hinter der Idee ein Team formierte, das die praktischen Anforderungen an eine Zeitungsmannschaft erfüllte und mit grosser Begeisterung an diese Arbeit ging, habe ich mich zusammen mit dem Gemeinderat von dieser Aufbruchstimmung anstecken lassen und mich voll hinter das Projekt gestellt».
Isler wünschte, dass die Redaktion «den Puls des Volkes» fühlen solle, wobei die Impulse von Seiten der Behörden wie der Leser kommen sollten. «Ein solcher Austausch ist wichtig, denn ohne Information und lebendige Diskussion ist die Demokratie auf die Dauer nicht lebensfähig und räumt langsam aber sicher irgend einer Form der Diktatur das politische Feld». Er berief sich dabei auf den grossen Philosophen Karl Jaspers: «Die Idee der Demokratie verlangt die Führung der Staatsmänner mit dem Volke. Ohne das ist die Demokratie nur parteiliche Vorbereitung und als Manipulation der Abstimmungen da.»
20 Jahre – ein Jahr lang
Die Tüüfner Poscht erschien im Februar 1996 erstmals unter diesem Namen. Genau 20 Jahre später wird das Jubiläum mit verschiedenen Aktionen und Attraktionen gefeiert. Immer wieder ein grosses Thema war die Unabhängigkeit des «Gemeindeblattes» von der Gemeindebehörde. Dieser und weitere Aspekte der Zeitungsgeschichte sollen 2016 in jeder Ausgabe besonders beleuchtet werden, und wir besuchen Menschen, die in den ersten Ausgaben der Dorfzeitung porträtiert wurden und wollen wissen, was aus ihnen geworden ist. Dazu kommen begleitende Veranstaltungen und ein Jubiläumsgeschenk an alle Leserinnen und Leser. Lassen Sie sich überraschen! TP
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