Ueli Alder: "Der Landammann hat Sitzleder bewiesen"

11.12.2018 | Erich Gmünder
Portrait Landammann Matthias Weishaupt Enthuellung (177)
Der letzte Moment vor der Enthüllung: Matthias Weishaupt zieht den Vorhang, beobachtet von Gemeindeschreiber Philipp Riedener und Gemeindepräsident Reto Altherr.

Bildbericht: Erich Gmünder

Teufen erweist den Landammännern aus der Gemeinde traditionsgemäss mit einem Porträt im Gemeindehaus die Ehre. Am Montag wurde die Ahnengalerie mit dem Porträt von Matthias Weishaupt ergänzt: Ein fotografisches Werk des Künstlers Ueli Alder hängt nun einträchtig neben jenem der ehemaligen Frau Landammann Marianne Koller-Bohl.

Während Marianne Koller sehr selbstbewusst viel Bein zeigt – und damit da und dort auch Schmunzeln ausgelöst hat – fällt das Porträt des 14. Landammanns aus Teufen durch seine Machart erst auf den zweiten Blick etwas aus dem Rahmen: Es ist eine fotografische Arbeit, die aber – so versicherte Ueli Alder – fast mindestens so viel Zeit und handwerkliches Geschick erforderte wie ein klassisches Porträt in Öl. Davon kann auch Matthias Weishaupt selber ein Lied singen: Zweimal sass er dem Fotografen mehrere Stunden Modell.

„Ich bin halt ein Romantiker in Sachen Fotografie“

Der Grund liegt in der Wahl des Materials: Ueli Alder bannte die Fotos mit einer antiken Kamera auf grossformatige Schwarz-Weiss-Filme. «Ich bin halt noch der alte, klassische Romantiker, wenn es um die Fotografie geht, und habe das Gefühl, dass der Geist des Fotografierten sich auf das Fotomaterial bannt.» Deshalb habe er darauf verzichtet, «eine Maschine» sprich die digitale Technik dazwischen zu schalten, sondern auf die ursprüngliche analoge Technik gesetzt. Er habe noch über altes Negativfilmmaterial verfügt, von dem er nicht gewusst habe, ob es noch funktioniere.

So mussten die Filme nach jeder Aufnahme entwickelt und das Resultat überprüft werden, bevor der nächste Versuch folgte. Ueli Alder attestiert Matthias Weishaupt «Sitzleder»: Nachdem er seine Position gefunden habe, habe er sich nicht von der Stelle gerührt und immer genau gleich in die Kamera geguckt – bei Belichtungszeiten bis zu zwei Sekunden eine wichtige Bedingung. Die Aufnahmen erfolgten im Sitzungszimmer des Regierungsrates in Herisau, dort wo der Landammann jeweils den Vorsitz führt.

Der Fotograf, wie vor 100 Jahren üblich unter einem Tuch hinter dem Kamerastativ, war indes erst nach zwei Sitzungen zufrieden mit dem Resultat. Danach ging aber seine eigentliche Arbeit erst los. Er kolorierte die Schwarzweiss-Aufnahme im alten Stil, wie das bei den früheren Postkarten der Fall war, nun jedoch auf dem Computer. Das Resultat druckte er auf Leinwand und rahmte es ein. Das Resultat hängt nun in der Ahnengalerie im Rathaussaal in Herisau.

Die Aufnahme erfolgte auf grossformatige Negative mit einer antiken Kamera.

Ein zweites Original, keine Kopie

Die Tradition will es, dass Teufen für seine eigene Ahnengalerie jeweils vom Künstler eine eigene Kopie anfertigen lässt.

Einfach das gleiche Bild ein zweites Mal auszudrucken, kam für Ueli Alder jedoch nicht in Frage. Er fotografierte das fertige Porträt erneut, diesmal jedoch auf Polaroid. «Ich habe viel altes Material, und wusste nie, was ich damit anfangen sollte. Jetzt war der geeignete Zeitpunkt für einen Versuch gekommen.» Die Polaroid-Filme, ähnlich jenen, die man von den früheren Sofortbild-Kameras kennt, seien über 50 Jahre alt und er keineswegs sicher gewesen, ob sie noch funktionierten. Mit viel Tüfteln und Experimentieren konnte er die eingetrocknete Chemie regenerieren. Schliesslich war er mit einem der Abzüge zufrieden: «Ich dachte zuerst, dass es nicht klappen würde, und bin nun überglücklich, dass es so herausgekommen ist.» Das Bild im Gemeindehaus Teufen sei für ihn deshalb nicht einfach eine Kopie, sondern ein zweites Original, auch wenn es sich nur wenig unterscheide.

Ein «aufgeklärtes Porträt»

Überglücklich zeigte sich auch der Porträtierte selber. Für Matthias Weishaupt war es klar, dass er die Reihe nicht einfach mit einem klassischen Ölgemälde fortsetzen wollte. Zudem musste die Chemie zwischen ihm und dem Porträtkünstler stimmen. Per Zufall sei er dann bei einem Besuch im Museum Urnäsch auf Arbeiten des Künstlers Ueli Alder gestossen, der selber in Urnäsch aufgewachsen ist und heute mit seiner Familie in Hemberg lebt.

Für das Porträt habe er klare Vorstellungen mitgebracht. So wollte er im Gegensatz zu seinen Vorgängern auf Insignien des Amtes verzichten. Marianne Koller trägt auf dem Schoss ein Buch mit lateinischer Inschrift, Jakob Brunnschweiler arbeitet an einem Laptop. Weishaupt hatte sich als Kantonsbibliothekar mit der Porträtmalerei auseinandergesetzt, als er gleich als erstes eine Ausstellung der Porträts der Zellweger-Dynastie organisieren musste. Dabei sei ihm der Unterschied zwischen den unterschiedlichen Porträtstilen aufgefallen. «Früher liessen sich die Monarchen und Patrizier mit Symbolen ihrer Macht oder ihres Reichtums abbilden. Später folgten im Zuge der Aufklärung schlichte Porträts, in welchen das Gesicht der Porträtierten im Vordergrund steht.» Davon zeugten die Ahnengalerien in den Zellwegerpalästen in Trogen heute noch. So wollte er auch auf jegliche Insignien verzichten.

Ungeschönte Wirklichkeit

Und was ihm auch auffiel: Die meisten Porträts zeigen die Menschen im fortgesetzten Alter. Das komme daher, dass sie erst kurz vor dem Ableben ein Bildnis für die Nachwelt hinterlassen wollten. Die Porträts seien ungeschönt, alle Runzeln würden genau wiedergegeben. «Genau das gleiche wollte ich auch für mich», erzählt Matthias Weishaupt. Keine Unebenheit sollte retuschiert werden. Dies ganz im Gegensatz zu einem Grafiker, der ihm einmal ein Muttermal wegretuschiert habe. «Da hät mi schüli verrockt gemacht.» So gehe der Charakter eines Menschen verloren.

Flecken, Schlirggen und Farbverschiebungen sind dem Material geschuldet und durchaus willkommen.

An die Vorgabe hielt sich auch Ueli Alder. Einzig ein paar wenige, vom chemischen Prozess verursachte Flecken auf dem Polaroid-Abzug habe er wegretuschiert und alles Weitere dem Zufallsergebnis der Chemie überlassen. «Ich habe damit auf dem Bild meine Handschrift hinterlassen: Nicht mit Pinsel und Öl, sondern mit der Art und Weise, wie ich arbeite und wie sorgfältig ich mit dem Material umgehe.”

Ein Platz im Geschichtsbuch?

Matthias Weishaupt ist mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Noch stolzer macht es ihn, dass er Ueli Alder für das Projekt gewinnen konnte. «Er ist einer der aufsteigenden Stars, ich bin langsam am Abgeben. Gut möglich, dass man 100 Jahren nur noch vom Künstler spricht und es nicht mehr wichtig ist, wen er da abgebildet hat», sagt der promovierte Historiker ganz bescheiden.

Unverkennbar auch das typische Appenzeller Ohrringli.

Gut möglich auch, dass Matthias Weishaupt als einer der letzten Landammänner aus Teufen in die Geschichte eingeht. Im Rahmen der anstehenden Verfassungsrevision dürfte auch diskutiert werden, die Volkswahl des Landammanns als eines der letzten Überbleibsel der Landsgemeinde abzuschaffen. Dann könnte der Titel durch die weniger glamouröse Bezeichnung Regierungspräsident abgelöst werden.

Grupppenbild mit Dame im Hintergrund: Matthias Weishaupt, Ueli Alder und Gemeindepräsident Reto Altherr.

Mehr über die Person und das Werk des Künstlers Ueli Alder:

www.alderego.ch

 

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