Interview/Fotos: Erich Gmünder
Vor rund anderthalb Jahren, am 18. Januar 2015 haben Sie gesagt: Wir sind insofern erleichtert, als dass jetzt der Weg klar ist, dass ein Entscheid da ist, in welche Richtung es weitergehen soll. Wir sind wirklich völlig variantenneutral an diese Arbeit gegangen, selbstverständlich mit einer nötigen Spannung, wie sich Teufen heute entscheiden wird, aber völlig unabhängig vom Ergebnis. Wir haben diesen Entscheid zu respektieren, was auch immer jetzt herausgekommen ist. Wir gehen jetzt in die Richtung, wie die Teufnerinnen und Teufner das heute entschieden haben. Die Teufnerinnen und Teufner haben damals im Verhältnis von 1‘058 Ja zu 1‘565 Nein den Tunnelkredit in der Höhe von 30 Mio. Franken deutlich abgelehnt und damit grünes Licht für die Doppelspur gegeben. Haben Sie sich zu früh gefreut?
Thomas Baumgartner: Ich bin nach wie vor froh um diesen klaren Entscheid und die wertvollen, davor geführten Diskussionen und die sachlichen Auseinandersetzungen. Wir haben gestützt auf diesen Entscheid unsere Arbeiten aufgenommen. Wir machen nun einfach unsere Hausaufgaben in Respektierung dieses deutlichen Volksentscheides. Für uns gibt es keinen Grund, davon abzuweichen. Wenn die Politik oder die Bevölkerung zu einem späteren Zeitpunkt wiederum eine andere Lösung wollen, dann schauen wir das wieder an.
Der Hauptinitiant der Kurztunnel-Initiative sagt jetzt, die Gemeinde müsse bei einer Annahme der Initiative bis Ende Jahr ein Projekt vorlegen. Ist das realistisch?
Unseren Erfahrungen zufolge ist eine gute Projektierung wichtig für eine erfolgreiche Projektumsetzung. Die Ausarbeitung eines Vorprojektes, das schlüssige Antworten zu Kosten und Machbarkeit zulässt, dauert ab dem Zeitpunkt der Vergabe an den Projektverfasser mindestens ein Jahr. Dann müsste ein Bau- und Auflageprojekt erarbeitet werden, was bei einem Tunnel vermutlich nochmals mehrere Monate dauern würde. Ende 2017 scheint mir schon sehr ambitiös zu sein, zumal noch die Vorprüfung der Initiative und die Abstimmung über die Initiative erfolgen müssten. Eine Machbarkeitsstudie oder die Aktualisierung früherer Studien liessen sich indessen zeitnaher umsetzen.
Wie wirkt sich die Lancierung der Initiative auf Ihre Vorarbeiten für die Doppelspur und die Anpassung des Bahnhofs und der Bahnhofkreuzung im Hinblick auf die Modernisierung der Bahn aus (sogenannte Durchmesserlinie, neues Rollmaterial)?
Ab Ende 2018 gilt ein neues Fahrplanangebot auf der Linie Appenzell-St.Gallen-Trogen. Das bedingt umgesetzte, bauliche und sicherheitstechnische Massnahmen – auch im Bahnhof Teufen. Wir arbeiten auf diesen Zeitpunkt hin. Es ist unsere Pflicht und unser gesetzlicher Auftrag, dies zu tun.
«Beim Umbau des Bahnhofs
gibt es kein Zuwarten.»
Thomas Baumgartner
Wir nehmen ab Mitte 2018 schrittweise die neuen Züge in Betrieb, auch auf dem Abschnitt Appenzell-Teufen; im Sommerhalbjahr 2018 wird zwischen Teufen und St.Gallen ein Busbetrieb eingerichtet, um die Bauarbeiten an den Geleisen im Raum Riethüsli und beim Güterbahnhof St.Gallen ausführen zu können. Dieser Betriebsunterbruch wird auch genutzt, um in dieser Zeit den Bahnhof Teufen umzubauen.
Müssen Sie diese jetzt stoppen, bis über die Initiative abgestimmt wurde?
Nein. Die neuen Züge sind im Bau, das Fahrplankonzept ist von drei Kantonen verabschiedet. Die Submission für die Sicherungsanlagen läuft; die Vergabe erfolgt in Kürze. Die Publikation der Submission für die Projektierungsarbeiten erfolgt in Kürze. Hier stoppen wir nicht mehr. Wir arbeiten jetzt am Vorprojekt, später am Bauprojekt und dann am Auflageprojekt für den Bahnhof Teufen, die Bahnhofskreuzung und die Ortsdurchfahrt in enger Zusammenarbeit mit Kanton und Gemeinde. Die Umsetzung erfolgt gestaffelt. Und bis zum Baubeginn der Bahnhofskreuzung und der Doppelspur dürfte Klarheit über die Initiative herrschen. Beim Umbau des Bahnhofs gibt es kein Zuwarten.
Sind Sie in der Zwickmühle – oder muss man mit einem teuren Provisorium rechnen?
Wir negieren selbstverständlich die Initiative nicht. Aber wir haben die gesetzliche Pflicht, einen Bahnbetrieb sicherzustellen. Wir werden den Bahnhof umbauen – und zwar behindertengerecht und in allen Sicherheitsanforderungen gesetzeskonform. Es braucht zudem Veloständer, Parkplätze, Billettautomaten und so weiter. Es ist nicht möglich, jetzt ein «Bahnhofsprovisorium» zu bauen. Wenn die Bevölkerung später etwas anderes entscheidet, müssen die (finanziellen) Konsequenzen wohl auch von Teufen getragen werden. Während den eigentlichen Bauarbeiten im Bahnhof Teufen kann es zu kurzfristigen, zeitlich beschränkten Provisorien kommen, da wir ja unter Betrieb bauen.
Angenommen, die Initiative wird vom Gemeinderat zur Abstimmung vorgelegt und vom Volk gutgeheissen: Wie lässt sie sich umsetzen, wie geht es weiter?
Für mich lässt die Initiative noch sehr viele Fragen offen, insbesondere die Gleislage zwischen Schützengarten und Stofel, aber auch die Bahnhofsgestaltung. Selbst bei einer Annahme der Initiative ist die Umsetzung für mich nicht klar und die Finanzierung keineswegs gesichert.
Die Initianten sprechen von einer bedrohlichen Situation, wenn die Doppelspur zur Ausführung gelangt. Einerseits wegen der für die Ladengeschäfte existenzbedrohenden Bauphase, anderseits wegen der Verkehrssicherheit für die schwächeren Verkehrsteilnehmer. Es herrscht ein eigentlicher Katastrophenalarm. Was sagen Sie dazu?
Wir sind uns der Situation für das Gewerbe während der Bauphase bewusst und arbeiten gezielt daraufhin, dass die Ladengeschäfte immer gut zugänglich sind. Wir haben mittlerweile einige Erfahrungen mit solchen Bauten im dicht besiedelten Gebiet gemacht. Auch im Dorfkern Teufen wurde die Gleisanlage schon erneuert (vgl. Bild).
Trams funktionieren in unzähligen Städten, auch direkt vor der Teufner Haustüre. Ein «Katastrophenalarm » ist völlig unangebracht. Und: Das Dorf Teufen mit den Fachgeschäften darf sich dem Bahnreisenden durchaus zeigen. Die Fahrt mit dem Zug durchs Dorf ist auch eine Chance für Teufen.
«Eine Trambahn durch Teufen
ist wahrlich keine Bedrohung,
zumal komplett neue Züge
verkehren werden.»
Thomas Baumgartner
Wie bedrohlich ist die Doppelspur wirklich aus Ihrer Sicht?
Aktuell begegnet der Velofahrer einem entgegenkommenden Zug. Diese Situation ist sehr gefährlich! Die Doppelspur und die neuen Züge tragen massgeblich zur höheren Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer bei. Der Verkehr fliesst richtungsgetrennt und äusserst geordnet. Auch für Fussgänger und Velofahrende hat die Doppelspur klare Vorteile: Immerhin wird damit das heutige Trasse frei. Eine Trambahn durch Teufen ist wahrlich keine Bedrohung, zumal komplett neue Züge verkehren werden.
Der Vorwurf wird auch laut, die Kurztunnel- Variante habe gar nie richtig zur Diskussion gestanden, das Volk habe keine Gelegenheit gehabt, dazu Stellung nehmen zu können. Wurden die verschiedenen Tunnelvarianten zu wenig breit abgeklärt oder fehlt es einfach an der Kommunikation?
Seit Jahrzehnten werden in Teufen Tunnelprojekte in unterschiedlicher Tiefe diskutiert und teilweise auch projektiert. Auch die Variante Kurztunnel wurde im Jahre 2005 nochmals geprüft und wegen des klar ungenügenden Kosten/Nutzenverhältnisses nicht mehr weiter verfolgt. Studien aus dem Jahre 2005 zeigen zudem, dass die Überdeckung mit gutem Fels nicht vorhanden ist und nur auf kurzer Strecke überhaupt genügend Überdeckung in der Molasse da ist. Das bedeutet, dass es eventuell gar nicht sinnvoll ist, den Kurztunnel bergmännisch zu erstellen.
Die von den Initianten verlangte Kurz-Tunnelvariante tönt verführerisch: Ein Schnäppchen, soll doch die Spar-Variante für einen Drittel des Preises zu haben sein. Wie realistisch ist das?
Wir wissen überhaupt nicht, wie die Initianten auf ihre Zahlen kommen und was alles eingerechnet ist und was nicht. Das müsste zuerst einmal offen gelegt werden. Grundsätzlich ist für einen sauberen Vergleich vom Stofel bis zum Bahnhof auszugehen. Die erwähnten Kosten von 35 Mio. Fr. scheinen mir völlig unrealistisch zu sein. Damit lassen sich der Kurztunnel und die Geleise vom Schützengarten bis zum Stofel garantiert nicht finanzieren. Allein schon der Bau des Bahnhofs Teufen ist ein Mehrfaches teurer als bei der Variante Doppelspur. Hier von einem Schnäppchen zu reden, ist sachlich falsch.
Wie geht es nun weiter?
Der heutige Zustand ist sicherheitsmässig nicht mehr zu vertreten. Die AB projektieren zusammen mit dem Kanton als Strasseneigentümer und mit der Gemeinde die Doppelspur. Wir sind verpflichtet, die Sicherheit jetzt zu verbessern. Wir werden dazu ein eisenbahnrechtliches Plangenehmigungsverfahren einleiten. Wir nehmen die neuen Züge im Laufe des Jahres 2018 in Betrieb. Ende 2018 wird das neue Angebotskonzept gefahren. Dieses Ziel peilen wir an. Es ist unser Auftrag, für die Erschliessung aller Ortschaften und Gemeinden zwischen Appenzell und St.Gallen mit einem attraktiven, modernen und sicheren öffentlichen Verkehr zu sorgen. Dieser Auftrag wurde im Übrigen am 16. Juni 2016 an der Generalversammlung der Appenzeller Bahnen von den Aktionären und Aktionärinnen mit Applaus bekräftigt. Der Gemeinde geben wir Zeit, den Sachverhalt aufzuarbeiten, damit ein Volksentscheid herbeigeführt werden kann.
Alles zum Thema: www.tposcht.ch/dossier
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