Interview: Erich Gmünder
Am 1. November 2016 nahm Reto Altherr die Arbeit als frischgewählter neuer Gemeindepräsident von Teufen auf. Nun blickt er auf sein erstes Amtsjahr zurück und zieht Bilanz. Wie hat sich die Gemeinde in dieser Zeit entwickelt, welche Ziele verfolgt er – und wie hat sich sein Alltag verändert?
Reto Altherr, nach einem Arbeitsleben als Bankangestellter in einer Kaderposition vor einem Jahr der Wechsel an die Spitze der zweitgrössten Gemeinde von Ausserrhoden: Wie hat sich Ihr Alltag verändert?
Eine der ganz grossen Veränderungen ist natürlich das geografische Wirkungsfeld. Neu darf ich in der Gemeinde arbeiten, in der ich lebe. Das Tätigkeitsgebiet ist sehr viel breiter geworden und meine Arbeit findet in der Öffentlichkeit statt. Die Führungsaufgaben haben sich hingegen nicht verändert. Was sich ebenfalls geändert hat und was ich sehr schätze: Ich bin nicht mehr fast vier Stunden unterwegs zum Arbeitsplatz, und ich darf neustens meistens zuhause zu Mittag essen. Das habe ich bis jetzt auch nicht gekannt, im Übrigen bin ich aber nicht mehr zu Hause als früher (lacht).
Haben Sie die Aufgabe unterschätzt?
Ich war mir natürlich bewusst, dass einige Baustellen auf mich zukommen, es waren dann in Tat und Wahrheit noch ein paar mehr. Aber es macht Spass und damit ist das kein Problem.
Welche Herausforderungen beschäftigen Sie zurzeit am meisten?
In den nächsten Jahren stehen grosse bauliche Veränderungen an, wie die Ortsdurchfahrt, die Gestaltung des Dorfzentrums oder die Schulraumplanung. Da stecken wir mitten in der Vorbereitungsphase und haben einen äusserst sportlichen Zeitplan. Da sind viele Ideen vorhanden, doch bevor diese konkretisiert sind, können wir zurzeit wenig dazu sagen, weshalb man sich in der Öffentlichkeit wohl manchmal fragt, was wir die ganze Zeit tun.
Eine ganz alltägliche Herausforderung für den Gesamtgemeinderat ist es, die weiteren ordentlichen Geschäfte zeitgerecht und sorgfältig zu bearbeiten und aneinander vorbeizubringen. So hat der Gemeinderat in meinem ersten Amtsjahr 258 Geschäftsfälle behandelt. Allein für die nächste Sitzung musste jedes Mitglied 80 Seiten Vorprotokoll lesen und sich vorbereiten.
Da bleibt wohl kaum mehr Zeit für die «Nachsitzungen»?
Tatsächlich war uns das leider in der letzten Zeit nicht mehr immer möglich, was sehr schade ist. Wenn die Sitzungen nach einem ohnehin schon langen Arbeitstag bis nachts um elf Uhr dauern, sind alle so müde, dass es nicht mehr für einen gemeinsamen Wirthausbesuch reicht. Deshalb beginnen wir die nächste, reichbefrachtete Sitzung ausnahmsweise um 16 Uhr.
„Es hat eine Versachlichung stattgefunden und wir sind nicht mehr so in den Schlagzeilen.“
Vor der Wahl haben Sie mehrfach betont, Sie wollten der Gemeinde wieder Ruhe und Stabilität zurückbringen. Ist Ihnen das gelungen?
Das müssten Sie vielleicht andere fragen, aber aus meiner Sicht kann ich diese Frage ganz klar mit einem Ja beantworten. Es hat eine Versachlichung stattgefunden und wir sind nicht mehr so in den Schlagzeilen. Aber Teufen ist eine Gemeinde mit einer politisch aktiven Bevölkerung, da werden natürlich Entscheide diskutiert, da gibt es verschiedene Meinungen und das muss auch Platz haben.
Eine Beruhigung und Versachlichung kann man nur erzielen, wenn man sich das Vertrauen der Bevölkerung erarbeitet. Dazu setzen wir auf eine offene Kommunikation. Das braucht Zeit und daran arbeiten wir.
Wie erfährt man denn, wo die Leute der Schuh drückt, wenn man derart angespannt ist?
Es ist schon richtig, gewisse Sachen liegen manchmal zeitlich nicht mehr drin, aber ich achte darauf, dass ich weiterhin jeden Freitag zum Turnen gehen kann, und ich besuche nach Möglichkeit Veranstaltungen und versuche so, den Kontakt zu halten. Auch das Instrument der offenen Rotsstobe möchte ich nicht missen, aber die meisten Sachen erfahre ich, wenn ich im Dorf unterwegs bin.
Nicht alle Leute sind mit den Entscheiden des Gemeinderates zufrieden, wenn ich beispielsweise an die Umfrage und Unterschriftensammlung gegen die Einschränkungen beim Betrieb des Freibades denke.
Wir nehmen das selbstverständlich ernst und lassen die Beurteilung auch in unsere Meinungsbildung einfliessen. Aber wir müssen auch akzeptieren, dass es leider nicht möglich ist, immer allen alles recht zu machen. Unsere Aufgabe ist es, die Situationen genau zu analysieren und dann halt einmal einen Entscheid zu fällen. Da lässt es sich im einen oder anderen Fall leider nicht vermeiden, dass nicht alle einverstanden sind.
Sie haben angekündigt, dass der Gemeinderat alle Bereiche der Reihe nach unter die Lupe nehmen und auf ihre Effizienz überprüfen will – löst das in der Verwaltung auch Unbehagen und Ängste aus?
„Wir müssen auch akzeptieren, dass es leider nicht möglich ist, immer allen alles recht zu machen.“
Grundsätzlich arbeiten unsere Betriebe und Bereiche ja sehr gut, doch das Umfeld verändert sich auch hier laufend, und es ist unsere Aufgabe, von Zeit zu Zeit zu hinterfragen, sind wir da noch optimal aufgestellt. Gutes soll belassen werden, und wo man Verbesserungspotenzial erkennt, soll man das nutzen. Und das machen wir zusammen mit den Mitarbeitern.
Aber es ist schon so, Veränderungen hat grundsätzlich niemand gern.
Teufen ist die finanzkräftigste und steuergünstigste Gemeinde in Ausserrhoden. Nun schlagen Sie eine weitere Steuersenkung vor – gibt es dafür auch strategische Ziele?
Die Festlegung des Steuerfusses ist ein ganz normaler Prozess innerhalb des jährlichen Budgetprozesses. Im Zentrum stehen die Aufgaben unserer Gemeinde. Wir wollen ein attraktiver Wohnort sein, mit zeitgemässen Schulen, einer fortschrittlichen Infrastruktur, attraktiver Verkehrserschliessung; kurzum eine Gemeinde, wo man gerne zuhause ist. Dazu braucht es Einnahmen sprich Steuern, und zwar so viel, wie man benötigt, um diese Aufgaben zu finanzieren. Wenn man das auch mit einem tieferen Steuerfuss sicherstellen kann, ist der Zeitpunkt für eine Steuersenkung gekommen.
Für mich steht jedoch Teufen im Mittelpunkt. Und nicht irgendwelche Standortwettbewerbsfaktoren, oder mit anderen Worten: Ich will zufriedene Teufnerinnen und Teufner, das ist mir viel wichtiger, als irgendwo in einem Rating Einzelpositionen zu gewinnen.
Was sind die Highlights des ersten Amtsjahres?
Das sind ganz klar die vielen persönlichen Kontakte. Das hat sich intensiviert durch meine neue Tätigkeit, aber auch dadurch, dass ich jetzt den ganzen Tag in Teufen bin. Viele Leute habe ich früher nur flüchtig gekannt, jetzt reicht es ab und zu auch für einen kurzen Schwatz. Das schätze ich sehr.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Gemeinde?
Dass wir weiterhin gemeinsam mit offenem Geist die kommenden Herausforderungen angehen und unsere Gemeinde weiterentwickeln. So dass wir auch inskünftig gerne in Teufen zuhause sind und uns hier wohl fühlen.