Das Baumemorandum formuliert Empfehlungen zur Erhaltung des Ortsbilds von Teufen. Foto: tiz
Timo Züst
Ein Baumemorandum ist der Versuch, die bauliche und strukturelle Identität eines Ortes zu erfassen. Daraus werden dann Empfehlungen für bauliche Anpassungen abgeleitet. Genau das gab die Gemeinde in Auftrag. Nun liegt das Ergebnis vor.
Der Ursprung des Baumemorandums lässt sich – wie so vieles – auf die Ortsdurchfahrt zurückführen. Gemeinderätin und Vizepräsidentin Pascale Sigg-Bischof hatte im Rahmen ihrer Arbeit in der Arbeitsgruppe Dorfgestaltung nach neuen Perspektiven gesucht. «Damals beschäftigten uns die Fragen nach der Entwicklung des Areals Bahnhof Ost und die Idee der Markthalle.» Die Arbeitsgruppe wandte sich an Christian Wagner. Er ist Professor für Architektur an der Fachhochschule Graubünden und leitet den Bereich Ortsbildentwicklung und Siedlungsplanung am Institut für Bauen im alpinen Raum (IBAR). Bekannt wurde er durch den grossen Einfluss seiner Baumemoranden auf die Entwicklung einiger Schweizer Ortsbilder. Die Auszeichnung von Fläsch (GR) mit dem Wakkerpreis im Jahr 2010 wird mit seiner Arbeit in Verbindung gebracht. «Während der Zusammenarbeit mit Christian Wagner hat sich schnell herauskristallisiert, dass da für Teufen noch mehr Potenzial schlummert», erzählt Pascale Sigg-Bischof. Sie vermittelte den Fachmann deshalb an die Planungskommission, die Christian Wagner schliesslich mit der Erstellung eines vollständigen Baumemorandums beauftragte. Dieses wird nun kommenden Donnerstag im Zeughaus vorgestellt.
«Mich fasziniert, wie leicht verständlich die Herleitungen sind. Das verstehen nicht nur Leute vom Fach», so Pascale Sigg-Bischof. Die drei Baumemoranden (Identität, Quartiere und Fassaden) analysieren die architektonische Struktur von Teufen und leiten daraus Empfehlungen für weitere Bautätigkeiten ab. Diese Empfehlungen sind allerdings nicht rechtsgültig. «Die Gemeinde stellt die Unterlagen allen Interessierten digital zur Verfügung. Aber das sind keine Vorschriften, lediglich Erklärungen und Empfehlungen», so Sigg-Bischof. Anders gesagt: Für ein Baubewilligungsverfahren spielt ein Baumemorandum nicht zwingend eine Rolle. «Die Gemeinde zeigt damit lediglich auf, was sie sich für Teufens Entwicklung wünscht.»
Aber wie steht es denn nun um Teufens architektonische Schönheit? Die Frage geht an Prof. Christian Wagner.
Das kann ich kaum beantworten (lacht). Die «Schönheit» eines Ortes lässt sich nicht objektiv werten bzw. beurteilen. Jedes Dorf, jede Stadt ist vollkommen unterschiedlich und hat seine eigenen Qualitäten.
Aber ich nehme an, Ihnen ist der Investitionsdruck in Teufen schon aufgefallen?
Natürlich, der ist ersichtlich. Aber Teufen hat viele Qualitäten.
Das Baumemorandum gibt Empfehlungen für zukünftige Bautätigkeiten ab. Kann das ein Dorfbild wirklich positiv beeinflussen?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Baubehörden und Investoren oft nicht die gleiche Sprache sprechen. Das Baumemorandum soll hier als Kommunikationsmittel dienen. Dabei geht es nicht darum Vorschriften zu schaffen, sondern die gestalterischen Aspekte eines Ortes verständlich darzulegen.
Aber vielleicht liegt mir das Ortsbild als Investor ja gar nicht so sehr am Herzen.
Das ist der Kern des Problems. Investoren und Gemeinderat haben unterschiedliche Zielsetzungen. Die Gemeinde will, dass ihr Dorf attraktiv bleibt – für Einwohnende und Touristen. Dazu gehört ein intaktes, schönes Dorfbild. Für einen Investor ist das selten das primäre Ziel.
Lassen sich diese unterschiedlichen Interessen überhaupt vereinen?
Ich denke, es ist wichtig zu verstehen, dass ein Bauherr nicht absichtlich das Dorfbild negativ beeinflusst. Oft ist ihnen gar nicht bewusst, wie sehr ein Bau das Bild verändert bzw. wie wenig er in die bestehende Umgebung passt. Da kann ein Baumemorandum Abhilfe schaffen.
Kritiker werden nun sagen, das sind einfach neue Bau-Vorschriften.
Nein, überhaupt nicht. Sehen Sie, in den Baukommissionen resp. Baubewilligungskommissionen der Gemeinden sitzen oft nicht nur Fachleute. Im Kontakt mit den Architekten kann es da zu Kommunikationsproblemen kommen. Das Baumemorandum zeigt die Bedürfnisse der Gemeinde nun leicht verständlich auf – sowohl für Fachleute als auch für Laien. Damit sagt die Gemeinde: Darauf legen wir Wert. Aber es handelt sich dabei um reine Empfehlungen, keine Vorschriften.
Was Sie im Baumemorandum anschauen, untersuchen auch Architekten bei der Planung eines Baus. Im Grundsatz haben Sie damit eine Art Vordienstleistung erbracht.
Das ist richtig. Das Baumemorandum kann natürlich auch von Architekten genutzt werden.
Letzte Frage: Wie weit ist Teufen denn nun vom Wakkerpreis entfernt?
Dafür müssen viele Faktoren zusammenkommen. Früher ging es beim Wakkerpreis eher darum, einen intakten, historischen Dorfkern auszuzeichnen. Mittlerweile ist eher entscheidend, ob eine Gemeinde spürbare Anstrengungen für eine stimmige Weiterentwicklung des Dorfbildes unternimmt. Ich denke, Teufen hätte durchaus Chancen, irgendwann so eine Auszeichnung zu erhalten. Das Baumemorandum ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung.
Hinweis: Die Informationsveranstaltung zum Baumemorandum Teufen findet kommenden Donnerstag, 13. Februar, um 19:30 Uhr im Zeughaus statt. Anwesen sein wird auch Prof. Christian Wagner. Mehr erfahren Sie hier.
Professor Christian Wagner unterrichtet an der Fachhochschule Graubünden. Foto: zVg