Interview: Erich GmünderAm 21. Mai wird über die Kurztunnelinitiative abgestimmt. Gemeindepräsident Reto Altherr und Pascale Sigg, Gemeinderätin und Präsidentin der Arbeitsgruppe Gestaltung Dorfzentrum nehmen drei Wochen vor der Abstimmung Stellung zum Abstimmungskampf und erklären die Position des Gemeinderates.Reto Altherr, Sie haben sich für die Abstimmung gewünscht, dass «rein sachlich und ohne Emotionen» diskutiert werde. Wie erleben Sie die Debatte bis jetzt?
Reto Altherr: Ich erlebe eine intensive Debatte, das Thema bewegt in Teufen, und und was ich sehr positiv feststellen darf, es ist eine sachliche Beschäftigung damit, und wie ich mir gewünscht habe, ohne Emotionen. Aber was ich auch feststelle, es sind noch viele Unklarheiten vorhanden, die wir in der nächsten Zeit klarzustellen versuchen.
Offenbar sind die Tunnelbefürworter mit der Initiative im Aufwind. Es sind kaum Stimmen zu vernehmen, die sich für die Doppelspur, also für die Haltung des Gemeinderates einsetzen. Steht der Gemeinderat allein auf weiter Flur?
Reto Altherr: Nein, das denke ich gar nicht. Ich bekomme auch laufend Rückmeldungen von Befürwortern der Doppelspur. Aber was natürlich klar ist: Die Initianten sind sehr gut und sehr klar organisiert, und sie fahren eine sehr professionelle Kampagne, die man entsprechend wahrnimmt.
Wagen Sie eine Prognose – spürt man, in welche Richtung es geht?
Reto Altherr: Eine Prognose ist sehr, sehr schwierig zu stellen. Wie ich bei Diskussionen feststelle, gehen die Meinungen manchmal quer durch Gruppierungen, ja gar durch Familien hindurch.
Pascale Sigg: Wenn wir unsere Fakten auf den Tisch legen können, und wenn das Edikt wirklich gelesen wird, mit allen Argumenten, aus welchen sachlichen Gründen der Gemeinderat die Initiative nicht unterstützen kann, dann bin ich überzeugt, dass es vermehrt auch Bürger gibt, die das auch nachvollziehen können.
Der Gemeinderat hat in einer Erklärung seiner Sorge Ausdruck gegeben, dass es bei einem Ja zu Verzögerungen komme und die jetzige, unhaltbare Situation noch länger andaure.
Reto Altherr: Das ist leider so. Wir wissen, dass die Appenzeller Bahn am 9. Dezember 2018 mit dem neuen Rollmaterial durch das Dorf fährt. Ab jenem Datum haben wir auch die entsprechende Fahrplanverdichtung, am Morgen und Abend wird der Viertelstundentakt eingeführt. Das heisst, wir haben in Spitzenzeiten acht Zugspaare, vier Züge in jeder Richtung oder alle 7,5 Min. einen Zug. Und solange der Zug nach dem Eisenbahnreglement auf der Einspur durch das Dorf fährt, brauchen wir die Sicherungsanlagen, das heisst Lichtsignalanlagen und Barrieren, die dann alle sieben Minuten geschlossen werden müssen.
Die Verkehrssicherheit, vor allem der schwächeren Verkehrsteilnehmer, nehmen aber beide Seiten für sich in Anspruch. Wer hat recht?
Pascale Sigg: Wo immer möglich, versuchen wir bei der Doppelspur, den Langsamverkehr vom motorisierten Verkehr zu trennen, indem wir den Platz, der durch die Aufhebung des jetzigen Gleises frei wird, für die Velofahrer und Fussgänger nutzen.
Reto Altherr: Mit der Doppelspur haben wir die Reduktion auf zwei Fahrspuren, weil Auto und Bahn ja in der gleichen Spur fahren. Und das gibt links und rechts Möglichkeiten für den Langsamverkehr. Als Velofahrer ist man also nicht mehr eingeklemmt zwischen Bahn und Auto oder gar Lastwagen, man hat mehr Platz. Und das ist unser Hauptargument für die Sicherheit. Damit haben wir auch die Option, die Doppelspur in einer späteren Phase auf dem ganzen Perimeter bis zum Sonnenrank auszudehnen, wo die die beiden Geleise der Durchmesserlinie bis zur Lustmühle beginnen. Und dann haben wir nicht mehr die Situation, dass man immer nach links und rechts schauen muss, weil man nicht weiss, aus welcher Richtung der Zug kommt.
«Ich bin total unglücklich mit der Linienführung des Kurztunnels. Das ist aus unserer Sicht die schlimmste Variante, weil sie ausser in einem kleinen Gebiet keine Verbesserungen bringt, sondern neue Probleme schafft!» Pascale Sigg
Umgekehrt bekommen wir mit dem Kurztunnel ein echtes Sicherheitsproblem beim Spar, zwischen Werdenweg und Schützenberg. Dort würde der Zug künftig alle 7,5 Minuten unter Fahrt in oder aus dem Tunnel fahren. Das bedeutet, dass dort alle 7 Minuten die Barriere runtergeht. Oder gar alle 6 Minuten, wenn später zusätzlich noch jede Stunde ein Schnellzug nach Appenzell eingeführt wird. Das führt zu Schleichverkehr, weil die Autofahrer versuchen werden, diese Stelle zu umfahren und über den Gremm auszuweichen. Das ist dann genau der Verkehr, den wir eigentlich nicht in den Wohnquartieren und im Dorfzentrum wollen.
Pascale Sigg: Und im Bereich Werdenweg/Schützenberg wird auch die Situation für die Kindergärtler und Primarschüler, welche in die Dorfturnhalle gehen, sehr kritisch. Der Übergang direkt beim Tunnelausgang ist ihnen nicht zuzumuten. Für mich ist das eine Schlüsselsituation, die man sogar noch verschlimmert statt verbessert.
Sie spüren, ich bin total unglücklich mit der Linienführung des Kurztunnels. Das ist aus unserer Sicht die schlimmste Variante, weil sie ausser in einem kleinen Gebiet keine Verbesserungen bringt, sondern neue Probleme schafft. Damit verbauen wir uns für Jahrzehnte hinaus alle Optionen für eine Verbesserung der Verkehrssituation auf dem ganzen Gemeindegebiet.
Und die Gefahr, die den Velofahrern durch die Gleisrillen mitten in der Fahrbahn droht?
Reto Altherr: Die Gleisrillen sind mittlerweile schmaler als früher. Auf der anderen Seite sind die Velopneus breiter geworden. Die Gefahr ist dadurch massiv reduziert. Aber natürlich muss man aufpassen, vor allem bei Nässe, dass man sie möglichst rechtwinklig quert.
Oft heisst es auch, dass bei der Doppelspur viele Parkplätze aufgehoben werden müssen, womit das Dorfzentrum an Attraktivität verliere.
Reto Altherr: Wie viele das sein werden, wissen wir schlicht noch nicht. Bei der Arbeitsgruppe Dorfgestaltung schaut man die ganze Parkplatzsituation an. Auch ein Parkhaus schliesse ich nicht aus als Option, aber solange wir über die Durchfahrt nicht entschieden haben, können wir hier noch keine Aussagen machen, weil uns schlicht die Fakten fehlen.
Pascale Sigg: Immerhin lässt sich jetzt eindeutig sagen, dass die Parkplätze beim Gemeinde- und Schulhaus wegen der Doppelspur nicht vollständig gestrichen werden müssen. Dies wurde uns von offizieller Seite von Bahn und Kanton eben bestätigt. Das heisst, es ist weiter möglich, die Parkplätze rechtwinklig anzuordnen.
Dies aufgrund der Erkenntnis, dass die Bahn bei der Doppelspur im Strassenbahnregime fährt, das heisst auf Sicht und bedeutet, dass sie jederzeit stoppen können muss. Zweitens haben wir mehr Platz, da ja das Bahngeleise wegfällt respektive auf die Fahrbahn verschoben wird. Und drittens kommt der Zug nur noch aus einer Richtung, man weiss also genau, auf welche Seite man schauen muss.
Im Übrigen möchte ich zu bedenken geben, dass wir das Dorfzentrum gar nicht attraktiver machen können, wenn alles voller Parkplätze ist, weil dann schlicht der Gestaltungsraum fehlt. Teufen ist ein Strassendorf, und es ist nicht möglich, eine Piazza zu schaffen, ob mit oder ohne Bahn, weil – und das ist vielen Leuten zuwenig bewusst – der Autoverkehr bleibt. Täglich fahren rund 5’500 Fahrzeuge durchs Dorf. Immerhin sind wir Teufner mit der Umfahrungsstrasse privilegiert, sonst sähe es noch ganz anders aus.
Offenbar ist, dass bei verschiedenen Fragen noch Unklarheit herrscht, sowohl bei der Tunnelvariante wie bei der Doppelspur. Wie wollen Sie auf die Fragen und Bedenken reagieren?
Reto Altherr: Einerseits greifen wir im Edikt verschiedene Fragen auf und werden selbstverständlich auch am 3. Mai nochmals detailliert darauf eingehen. Zudem werden wir eine separate Homepage aufschalten mit dem Edikt und Antworten auf Fragen aus der Bevölkerung.
Bei so viel Unklarheit könnten sich die Stimmbürger auch sagen, stimmen wir doch der Initiative zu, damit man später in Kenntnis aller Fakten entscheiden kann, welche Variante weiterverfolgt werden soll. Da vergibt man sich ja nichts.
Reto Altherr: Dabei vergisst man den Zeitfaktor. Bis es soweit ist, folgen noch zwei Abstimmungen, diejenige über den Projektierungskredit und anschliessend über den Objektkredit. Ich denke, dass es mindestens bis Mitte des nächsten Jahrzehntes dauert bis der Tunnel in Betrieb genommen werden könnte. So lange hätten wir dann mit der schwierigen Situation zu leben.
Pascale Sigg: Bei einem Ja zur Kurztunnel-Initiative müssten wir einen Planungsstopp einlegen. Umgekehrt werden wir oft gefragt, warum wir nicht schöne Visualisierungen der künftigen Dorfgestaltung präsentieren könnten. Das ist ein Widerspruch in sich. Was ebenfalls nicht vergessen werden darf: Schliesslich ist es der Steuerzahler, der die ganzen Abklärungen und die Projektorganisation bei einem Ja zum Tunnel berappen muss, mit dem Risiko, dass am Schluss ein negativer Entscheid herausschaut. Die Bahn hat ganz klar gesagt, dass sie mit der Umgestaltung des Bahnhofs und der Bahnhofkreuzung bis Ende 2018 bereit sein muss und auch bei der Doppelspur weiterplant, bis ein Tunnelentscheid da ist. Und dann fangen wir an zurückzubauen, und das zahlt ebenfalls Teufen.
Ich höre oft, dass man sagt, jetzt wollen wir der Bahn mal eins auswischen. Da muss ich jeweils klarstellen, dass man nicht der Bahn, sondern uns eins auswischt. Damit wird unsere Arbeit behindert und nicht jene der Bahn – die Bahn plant zumindest bis zum Vorliegen eines endgültigen Tunnelbauentscheides weiter, gestützt auf den Volksentscheid vom 18. Januar 2015.