Die Ortsdurchfahrt - ein Generationenprojekt

01.12.2016 | TPoscht online
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Matthias Jäger

Die Appenzeller Bahnen informierten am 16. November im gut gefüllten Lindensaal über den Stand des Projekts Ortsdurchfahrt.

Die Ortsdurchfahrt ist zwar in erster Linie ein Bahnprojekt, aber eben nicht nur. Von der Betroffenheit her ist es ein Dorfprojekt, und die Strasse ist kantonal. So sassen denn ne­ben den Vertretern der Appenzeller Bahnen auch der Kantonsingenieur, der Gemeinde­präsident, der Gesamtprojektleiter und das Bundesamt für Verkehr mit am Tisch der Re­ferenten.

Stichtag 9. Dezember 2018

Der Fahrplanwechsel vom 9. Dezember 2018 markiert einen Meilenstein in der Geschichte der Appenzeller Bahnen. Ab diesem Stichtag verkehrt neues Rollmaterial durch den Tun­nel Ruckhalde und auf der Durchmesserlinie St.Gallen von Appenzell bis nach Trogen. Viertelstundentakt in den Hauptverkehrszei­ten und Schnellzüge nach Teufen und Appen­zell ergänzen das Angebot. Das Besondere an dieser Umstellung ist, dass sie über Nacht erfolgen muss. Aus technischen Gründen können die alten Züge nicht durch den neuen Tunnel fahren, und die neuen nicht auf dem alten Trassee die Ruckhalde hoch.
Für Teufen bedeutet das, dass am Stich­tag der Bahnhof soweit fertig umgebaut sein muss, dass er den neuen Anforderungen gerecht wird. Sicherheitsauflagen und Niederflurzüge erfordern eine Anpassung der Perrons. Der Viertelstundentakt erfordert ein drittes Gleis. In Zukunft muss der Bahnhof Teufen pro Tag 38 kreuzende Züge bewälti­gen (gegenüber heute vier), weil die Kreuzungen infolge Fahrzeitreduktion von Steigbach nach Teufen verschoben werden. Das bedingt eine umfassende Erneuerung der Bahnhofsanla­gen.

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Bahnhof, Bahnhofkreuzung und Ortsdurchfahrt

Eine Sanierung des Bahnhofes ohne Neuge­staltung der Bahnhofkreuzung macht we­nig Sinn und wäre schlecht für Teufen, sag­te Kantonsingenieur Urban Keller. In den Abendspitzen ist die Situation mit etwa 1000 Fahrzeugen pro Stunde bereits heute mit Wartezeiten verbunden. Bis 2030 erwartet der Kanton eine weitere Verkehrszunahme auf stündlich über 1200 Fahrzeuge. Dabei ist 85–90% des Verkehrsaufkommens hausge­macht, d.h. Fahrten von, nach, oder innerhalb von Teufen.

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Die berüchtigte Bahnhofkreuzung soll künftig als Kreisel gestaltet werden. So sähe es bei der Variante Doppelspur (rot) aus. Illustration: zVg.

Die Umstellung der Appenzeller Bahnen auf den Viertelstundentakt in den Morgen-und Abendspitzen wird die Bahnhofkreuzung weiter belasten. Dann wird im Durchschnitt alle 7 ½ Minuten ein Zug den Individualver­kehr behindern. Der Kanton kam nach Prü­fung verschiedener Varianten zum Schluss, dass nur ein Kreisel den zu erwartenden Ver­kehr langfristig bewältigen kann.

Inhaltlich gehören Bahnhof und Bahnhofkreuzung also zusammen und sind als ein Ganzes zu betrachten. Die Bewilligungs­verfahren erfolgen nach Eisenbahnrecht auf Bundesebene.

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Die Realisierung von Bahnhof, Bahnhofkreisel und Ortsdurchfahrt ist die Aufgabe von Arthur Hitz, dem Gesamtprojektleiter für die Ortsdurchfahrt. Er stellte sich erstmals ei­ner breiteren Öffentlichkeit vor. Unter ande­rem bringt er die Erfahrung als Projektleiter beim Umbau des Stadelhoferplatzes in Zürich mit. Wer die Komplexität dieses Platzes in Bezug auf den Verkehr und die betroffenen Geschäfte, Büros, Kinos und Restaurants mit eigenen Augen schon einmal sah, traut ihm auch die Ortsdurchfahrt Teufen zu.

Kurztunnelinitiative

Der 15. Januar 2015 werde zumindest für eini­ge Jahrzehnte einen Schlusspunkt unter eine 60-jährige Debatte über Tunnels und Linien­führungen setzen. Diese Erwartung äusser­te der Lokalhistoriker Thomas Fuchs in der Tüüfner Poscht vom November 2014. Dieses Ab­stimmungsergebnis war zwar eindeutig, aber es beendete, wie wir mittlerweile wissen, die Diskussion nicht. Der Gemeinderat wird die Kurztunnelinitiative am 21. Mai 2017 ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung bringen. Er sieht keine Veranlassung, die abgelehnte Tunnelvorlage nochmals ins Spiel zu brin­gen. Dafür war, wie Gemeindepräsident Reto Altherr ausführte, die Ablehnung zu deutlich.

Doppelspur

Appenzeller Bahnen und Kanton verstanden das Abstimmungsergebnis vom Januar 2015 als Auftrag, die Planung der Doppelspur an die Hand zu nehmen. Diese schreitet unter der Federführung des Gesamtprojektleiters voran. Die Bauausführung der eigentlichen Dorfdurchfahrt (Dorfzentrum bis Stofel) ist allerdings erst ab 2020 vorgesehen. In der Zwischenzeit wird die Planung der Doppel­spur mit derjenigen der Gemeinde für die Zentrumsgestaltung koordiniert.

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Mehr Platz für Fussgänger und Langsamverkehr im Dorf: Oben die jetzige Situation, unten die geplante Linienführung im Querschnitt. Illustrationen: zVg.

Sicherheitsüberlegungen spielen bei der Modernisierung der Appenzeller Bahnen eine zentrale Rolle. Das gilt nicht zuletzt für die Doppelspur. Situationen wie die aktuelle im Dorf und beim Spar, wo Autolenkern auf «ihrer» Spur eine Bahn wie ein Geisterfahrzeug entgegenkommt, sind nicht mehr tolerierbar. Sie würden heute so auch nicht mehr bewilligt.

Sicherheitsrisiken minimieren

Dem Langsamverkehr fehlt nicht nur an die­sen neuralgischen Punkten – aber dort be­sonders – der Raum. Auch die zahlreichen Bahnübergänge und Einmündungen mit den Blinklichtern sind ein permanentes Sicher­heitsrisiko. Die Doppelspur eliminiert die meisten dieser Kreuzungen mit dem Indivi­dualverkehr und bringt die Blinklichter zum Verschwinden. Sie schafft mehr Raum für den Langsamverkehr und wirkt, weil die Züge den Individualverkehr im Pulk anführen, ver­kehrsberuhigend.

Damit brächte die Doppelspur gegenüber der aktuellen Situation, trotz der Mehrbelas­tung durch den Viertelstundentakt, deutliche Verbesserungen. Die Antwort auf die Frage, ob das für Teufen auch die beste Lösung sei, ist keine technische, sondern eine politische. Dazu können sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger am 21. Mai dank der Kurztunne-linitiative nochmals äussern.

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Der Kreisel lässt sich auch mit der Tunnelvariante realisieren. Illustration: zVg.

Im Fall einer Annahme der Initiative müsste die Gemeinde als nächsten Schritt einen Projektkredit ausarbeiten und zur Ab­stimmung bringen. Bahn, Kanton und Ge­meinde müssten anschliessend ein konkretes Projekt für einen Kurztunnel ausarbeiten. Die Gemeinde müsste dieses dann in Form eines Objektkredits nochmals den Stimmbürgerin­nen und Stimmbürgern vorlegen. Wie lange das auf der Zeitachse dauert, bleibt offen. Für die Ortsdurchfahrt hiesse das, dass sie, abge­sehen von der sanierten Bahnhofkreuzung, auf unbestimmte Zeit unverändert bliebe. Die oben beschriebene Erneuerung der Anlagen im Bahnhof Teufen auf Dezember 2018 muss so oder so vorgenommen werden.

Bahn und Kanton treiben die Umbauten von Bahnhof und Bahnhofkreuzung trotz Kurztunnelinitiative voran. Das sei kein Winkel­zug zur Verhinderung eines Tunnels, betonen die Verantwortlichen. Der neue Bahnhofkreisel ist mit der Tunnelvariante kompatibel, die Bahnhofanlagen müssten allerdings noch­mals neu gebaut werden.

 

Bauimmissionen und Betriebsunterbruch

Die Bauarbeiten werden Teufen in jedem Fall über längere Zeit belasten, ab 2018 vorerst beim Bahnhof und auf der Bahnhofkreuzung. Die Appenzeller Bahnen, die Gemeinde und die betroffenen Anwohner, Geschäfte und Re­staurants haben ein gemeinsames Interesse an einer möglichst kurzen Bauzeit. Ab April 2018 bis zum Fahrplanwechsel vom 9. De­zember erfolgt ein mehrmonatiger Betriebsunterbruch der Bahn zwischen Teufen und St. Gallen. Die Realisierung der Doppelspur bis Stofel ist für 2020/21 vorgesehen. Dabei machen die Appenzeller Bahnen zur Auflage, dass nach dem Umbau des Bahnhofs Teufen alle weiteren Bauarbeiten ohne längere Betriebsunterbrüche erfolgen sollen. Das ver­längert die Bauzeiten.

visualisierungen abstimmungsedikt 18.1 (6)Wo endet die Ortsdurchfahrt?

Im Gerangel um Tunnel, Tunnellänge und Doppelspur droht Niederteufen ins Hinter­treffen zu geraten. Dort ist ein Generationen­wechsel im Gang. Steigende Schülerzahlen generieren zusätzlichen Langsamverkehr. Der hat auch in Niederteufen zu wenig Raum.

Der Kanton schaute sich die Situation auf Wunsch der Gemeinde genauer an und prüfte mögliche Lösungen. Dabei kam er, wie Kan­tonsingenieur Urban Keller darlegte, zum Schluss, dass langfristig nur die radikale Um­gestaltung der Verkehrsführung eine wirksa­me Entlastung bringt. Konkret heisst das, die Doppelspur für die Appenzeller Bahnen bis Niederteufen zu verlängern.

Ein grosser Wurf?

Vom Mut zur Vision, von der Notwendigkeit eines grossen Wurfes war an der Informati­onsveranstaltung in einem Votum aus dem Publikum die Rede. Nur, was ist ein grosser Wurf? Gemeint war die Wiederaufnahme der Tunnelidee, aber nicht im Sinn der Kurztunnelinitiative, sondern im Sinn einer Un­tertunnelung der Bahn vom Bahnhof Teufen gleich bis zur Gemeindegrenze im Watt. Das wäre eine andere Bahn, hielt der Direktor der Appenzeller Bahnen dem Votanten entgegen. Das würde Appenzell Innerrhoden freuen, aber vier von den fünf Teufner Bahnhöfen vom Bahnanschluss abschneiden. Eine Bahn müsse für die Kunden da sein und dort fah­ren, wo die Menschen wohnen und zu- und aussteigen, hielt Thomas Baumgartner fest.

Die Appenzeller Bahnen haben eine ande­re Vorstellung vom grossen Wurf. Für sie sind der Bahnhof Teufen und die Ortsdurchfahrt wichtige Puzzlesteine in ihrem umfassenden Modernisierungsprojekt. Und dieses ist mit dem Ruckhalde-Tunnel, der Durchmesserli­nie St. Gallen, neuem Rollmaterial und einem Investitionsvolumen von CHF 300 Mio für eine Bahn mit einem Betriebsertrag von CHF 43.7 Mio tatsächlich ein grosser Wurf. Dabei geht es nicht einmal um die einzelnen Gross­baustellen, sondern um das Gesamtpaket mit einer markanten Verbesserung des Angebots (Verdichtung des Fahrplans, Schnellzüge nach Teufen und Appenzell, neues Rollma­terial mit Niederflureinstieg) und der Erhö­hung der Sicherheit.

Dieses Modernisierungsprojekt wieder­um ist Teil des regionalen Agglomerationsprogramms. Dieses denkt die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung über die Grenzen von Kantonen und Verwaltungseinheiten hinaus.

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Doppelspur im Dorf Teufen – das gab es schon einmal. Darauf machte uns Paul Grunder mit dieser Ansichtskarte aufmerksam. Das Bild vom «Alten Bahnhof» entstand anlässlich der Mobilisierung 1914.  Foto J. Rechsteiner, Papeterie, Teufen, Kunstdruckerei Gebr. Isenbeck, Wiesbaden

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