Die Tunnelabstimmung vom 21. Mai bewegt die Gemüter in Teufen und hinterlässt auch viele Fragen, weil zum Teil widersprüchliche Aussagen im Umlauf sind. Wir sprachen darüber mit Thomas Baumgartner, Direktor der Appenzeller Bahnen.
Interview: Erich Gmünder
Herr Baumgartner, Sie haben an der Orientierungsversammlung des Initiativkomitees vom 6. April aufmerksam zugehört und nicht nur einmal den Kopf geschüttelt, was hat Sie gestört?
Ich unterstützte die Information der Bevölkerung sehr; das Informationsbedürfnis ist zweifelsohne vorhanden. Allerdings müssen die Informationen korrekt und vor allem vollständig sein, ansonsten sie zu Verunsicherung, Missverständnissen und in der Folge möglicherweise zu Fehlentscheidungen führen können.
Ein Punkt, wozu Sie im Nachgang gegenüber den Medien Stellung genommen haben, waren die Aussagen von Christian Ehrbar, wonach ihm Herr Hitz gesagt habe, dass die Haltestellen beim Stofel und beim Sternen auf die Strasse verlegt werden sollen, womit der Individualverkehr nicht mehr überholen kann. Das stimme so nicht, sagten Sie.
Es wurde vor allem mit einer Bestimmtheit gesagt – und damit der Eindruck erweckt –, als sei dies beschlossene Sache. Wir projektieren seit dem Nein zum Tunnelkredit im Januar 2015 die Doppelspur, seit Anfang dieses Jahres auch im Bereich Dorfzentrum bis Stofel. Ein wichtiger Teil dieser Projektierungsarbeit sind die Fragen, wo genau die Doppelspur auf die Einspur wechselt und wo die zukünftige Haltestelle Stofel hinkommen soll. Diese Fragen sind Gegenstand des laufenden Variantenstudiums inkl. Haltestellengestaltung. Beschlossen ist diesbezüglich noch gar nichts.
Es gibt einen Plan «Vision Niederteufen 2050» auf der Homepage der Gemeinde Teufen, der aber genau das vorsieht.
Es handelt sich dabei um eine sehr grobe Visualisierung aus dem Jahr 2014 im Auftrag des Kantons. Sie zeigt eine mögliche Gestaltung des gesamten Raumes vom Sonnenrank bis zur Linde, unter der Annahme, man plant eine Strassenbahn.
Was kostet die Verlängerung der AB-Doppelspur von Stofel bis Niederteufen oder Lustmühle und ist es tatsächlich die Gemeinde, die das bezahlen muss?
Ohne genauere Abklärungen und bessere Plangrundlagen kann man heute keine verlässlichen Kostenangaben machen. Es stimmt jedoch nicht, dass die Gemeinde die Kosten alleine tragen müsste. Die Finanzierung der Substanzerhaltung der Bahninfrastruktur ist Sache der Bahn, welche wiederum zu 100% vom Bund finanziert wird. Die Bahn und der Bund realisieren indessen nur Projekte mit einem angemessenen Kosten-/Nutzenverhältnis. Stehen teurere alternative Projekte zur Diskussion, so müsste die Kostendifferenz vollständig von Dritten (= Gemeinde) finanziert werden.
Irgendwann muss die Bahn ihre Gleisanlage zwischen Stofel und Sonnenrank ersetzen. Dies wäre dann der Anlass, den Grundsatzentscheid für oder gegen die Verlängerung der Doppelspur zu fällen.
Dem Komitee ist auch der «überdimensionierte» Bahnhofkreisel ein Dorn im Auge, dem Parkplätze, Veloständer und das Wetterhäuschen weichen müssten.
Das künftige Verkehrsvolumen verlangt nach einer für alle Verkehrsteilnehmer besseren Lösung. Sowohl der Auto- als auch der Bahnverkehr nehmen zu. Ein Miteinander beider Verkehrsträger ist wichtig. Der Kreisel beansprucht mehr Platz als die heutige Lösung, das stimmt. Die Kreisellösung steht aber nicht ausschliesslich im Zusammenhang mit der Bahn, sondern mit der Bewältigung des zunehmenden Gesamtverkehrs und der sicheren Fussgängerführung. Im Übrigen stellen die AB einen sehr grossen Teil der Mehrfläche für den Kreisel zur Verfügung.
Die Aussage an der Infoveranstaltung des Initiativkomitees vom 6. April, dass wegen dem Kreisel die Perrons in Richtung Linde verschoben werden müssen, stimmt nicht. Die Perrons müssen wegen der neuen Gleisgeometrie des Bahnhofs und dem Lichtraumprofil nach Süden geschoben werden. Die Verschiebung beträgt im Übrigen gerade mal 12 Meter.
Thematisiert wurden an der Versammlung auch die – Zitat – «grotesk hohen Sicherheitsmargen bei der Kostenschätzung von plus/ minus 30 Prozent». Viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger können das nicht nachvollziehen.
Für die Genauigkeit von Kostenschätzungen von Tief- und Bahnbauprojekten gibt es in der Schweiz eine etablierte und bewährte Praxis. Solange keine verlässlichen Vorprojekte vorliegen, wie das sowohl bei der Kurztunnel- als auch der Doppelspurlösung der Fall ist, entspricht die erwähnte Bandbreite der Kostengenauigkeit dieser Praxis.
Mit der Vertiefung der Projektierung (Vorprojekt, anschliessend Bauprojekt) reduziert sich diese Bandbreite der Schätzung auf +/- 20 bzw. +/¬10%.
Das wäre aus Sicht des Stimmbürgers ein Argument, beide Varianten zu einem Vorprojekt auszuarbeiten, damit man hier mehr Klarheit erhält.
Das könnte man so sehen. Bei der Beurteilung der beiden Varianten Doppelspur und Kurztunnel stehen nicht nur die Kosten, sondern auch Sicherheitsbetrachtungen, Gestaltungsfragen und bahnbetriebliche Aspekte (Nutzen) im Vordergrund. Dies alles führt dann zu einer Kosten/Nutzenbetrachtung. Und da schneidet die Doppelspur wesentlich besser ab als der Kurztunnel.
Der Gemeinderat hat am 4. April pointiert seine Empfehlung für ein Nein zur Initiative präzisiert und dabei deutlich gemacht, dass er sich Sorgen macht, dass die jetzige gefährliche Situation länger anhält. Kommt es bei einem Ja zur Initiative wirklich zu Verzögerungen bei der Umsetzung der Doppelspur?
Die Bahn ist verpflichtet, die Sicherheit auf ihrem Netz zu gewährleisten und die Bahnübergänge zu sanieren. Der heutige Zustand bei der Bahnhofkreuzung darf nicht mehr länger toleriert werden. Mit dem geplanten Kreisel und der Lichtsignalanlage für die Zugsdurchfahrten wird die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer massiv verbessert. Bei den weiteren Schlüsselstellen der Dorfdurchfahrt (Gremmstrasse, Werdenweg, Schützenbergstrasse, usw.) werden wir bei einer sich hinziehenden Unsicherheit bezüglich einer allfälligen Tunnellösung wohl weitergehende Massnahmen (z.B. Barrieren) prüfen müssen.
Wir müssen deshalb die Doppelspur auch nach einem Ja zur Initiative weiter projektieren, nur so können wir die für die AB sehr wichtige Planungsverbindlichkeit erlangen. Der Baubeginn der Doppelspur ist dann eine Frage, die wir in ein bis zwei Jahren besser beurteilen können. Klar ist für uns hingegen, dass wir 2018 den Bahnhof umbauen müssen.
Sie haben die Sicherungsanlagen bei der Einspurführung durchs Dorf angesprochen. Aufgrund des Bahngesetzes hätten diese bis 2014 angepasst werden müssen. Gibt es somit ein Sicherheitsproblem und wie lange ist die Übergangsfrist, die Sie vom Bund erhalten haben?
Die Frist ist in der Tat Ende 2014 abgelaufen. Als für die Sicherheit verantwortliche Bahn müssen wir nun aber zwingend handeln. Der heutige Zustand ist nicht mehr tolerierbar. Wir von der Bahn können die Verantwortung für das heutige Regime nicht mehr übernehmen. Daher sind Massnahmen zwingend, gegebenenfalls auch Übergangslösungen. Der Kreisel mit Lichtsignal ist eine sehr gute und langfristig taugliche Lösung, unabhängig ob dereinst die Doppelspur oder die Tunnelvariante realisiert wird.
Das Komitee will, dass man bei einem positiven Entscheid für die Initiative rasch vorwärts macht und bereits im Herbst 2018 den Objektkredit vors Volk bringt. Wie realistisch ist das?