Interview: Erich Gmünder
Am 21. Mai stimmen die Teufnerinnen und Teufner über die Kurz-Tunnelinitiative ab. Welchen Einfluss hat der Ausgang der Abstimmung auf die Weiterbearbeitung der Doppelspur? Wie geht er mit den Sorgen und Ängsten der Bevölkerung und der Ladenbesitzer um? Dies wollten wir von Arthur Hitz wissen. Er ist auf Seiten der Appenzeller Bahnen für die Projektierung und Realisierung der Ortsdurchfahrt in Teufen verantwortlich.
Am 21. Mai wird in Teufen über die Kurztunnel-Initiative abgestimmt. Wie weit beeinflusst das Ihre Arbeit?
Bis anhin nur am Rand. Denn mein Auftrag als Gesamtprojektleiter für die AB lautet, die Doppelspur-Lösung durch das Dorf zu realisieren und das so zeitnah wie möglich. Dieser Auftrag wiederum ist ein Ergebnis des klaren Abstimmungsentscheides der Teufner Stimmbürgerinnen und Stimmbürger vom Januar 2015 gegen den Langtunnel. Natürlich verfolge ich die Entwicklung und das politische Umfeld im Zusammenhang mit der Kurztunnel-Initiative mit grossem Interesse und überlege mir, welchen Konsequenzen eine allfällige Annahme der Initiative auf den weiteren Verlauf des Projekts Ortsdurchfahrt haben könnte. Ich sitze bei den Gesprächen, in denen sich die Gemeinde, der Kanton und die Appenzeller Bahnen (AB) zum Thema Kurz-Tunnel koordinieren, jeweils mit am Tisch und bringe die Sicht und das Wissen des Gesamtprojektleiters Ortsdurchfahrt Teufen (ODT) ein. Mein Fokus liegt aktuell aber ganz klar auf dem Umbau des Bahnhofs Teufen und der Bahnhofkreuzung, den wir nächstes Jahr ausführen wollen. Hier drängt die Zeit, weil beide Projektteile zur Eröffnung der Durchmesserlinie im Dezember 2018 soweit wie möglich fertiggestellt sein sollen. Beim Bahnhofumbau ist das allerdings nicht ganz zu schaffen.
In Teufen wird die Doppelspur seit Jahren kontrovers diskutiert. Was macht den Leuten Angst?
Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Einwohner von Teufen vor allem solche Fragen stellen: Wie funktioniert der Verkehr, wenn plötzlich zwei Gleise durch das Dorf führen? Ist das sicher, vor allem auch für den Langsamverkehr? Und welche Behinderungen kommen mit den umfangreichen Bauarbeiten auf die Einwohner, Anwohner und das Gewerbe zu? Wie «übersteht» das Dorf so eine Grossbaustelle?
Die Initianten sprechen von einem drohenden Chaos, die Sicherheit der Kinder und schwächeren Verkehrsteilnehmer sei gefährdet.
Es mag vielleicht etwas paradox tönen, aber mit den zwei Gleisen in der Hauptstrasse wird die Situation in Teufen für alle Verkehrsteilnehmer sicherer als heute mit nur einem Gleis neben der Strasse. Dank der Reduktion von drei auf zwei Fahrbahnen entstehen neue Freiräume für den Velo- und Fussverkehr, d.h. Platz für Radstreifen und Trottoirs. Die Bahn verkehrt neu richtungsgetrennt auf den zwei Gleisen als sogenannte «Pulkführung» vor den Motorfahrzeugen, was den Verkehr automatisch beruhigt. Mit der Führung der Gleise in der Strasse können nahezu alle heutigen, nicht ungefährlichen Bahnübergänge aufgehoben werden. Gerade auch die Schulkinder, aber auch alle anderen Velofahrer und Fussgänger, profitieren von den neuen Radstreifen und der Schliessung von Trottoir-lücken. All dies macht die Hauptstrasse von der Bahnhofkreuzung bis Stofel wesentlich sicherer, als sie heute ist.
Oft angesprochen wird auch die Sturzgefahr für Velofahrer wegen der Tramschienen mitten auf der Strasse.
Im Strassenquerschnitt schafft die Doppelspur, mit Ausnahmen im Dorfzentrum, Platz für die Führung von Radstreifen auf beiden Seiten der Gleise. Dort wo man die Gleise queren muss, werden wir darauf achten, dass der Velofahrer möglichst in steilem Winkel über die Gleise geführt wird, so z.B. im Bahnhofkreisel, wo fast ein 90-Grad-Winkel erreicht wird. Wir haben aber bei anderen Projekten die Erfahrung gemacht, dass sich der Velofahrer rasch an die Situation mit Gleisen gewöhnt. Auch in Teufen sind mir bei den bestehenden Gleisrillen im Dorf keine Probleme bekannt. Das Thema Langsamverkehr hat in der Projektierung einen hohen Stellenwert und wir legen ein besonderes Augenmerk darauf, dass wir da gute Lösungen entwickeln können.
Sie haben schon mehrere ähnliche Projekte in urbanen Lebensräumen realisiert. Haben Sie dort auch so viel Widerstand gespürt oder ist Teufen eine Ausnahme?
In meiner Funktion als Gesamtprojektleiter spüre ich zurzeit direkt wenig Widerstand gegen das Projekt. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass wir «erst» am Projektieren und damit eher im Hintergrund tätig sind. Erfahrungsgemäss kann sich die Situation ändern, wenn die Projekte öffentlich aufliegen, was diesen Frühsommer der Fall sein wird. Doch ja, in urbanen Räumen mit ihren vielen unterschiedlichen Nutzerinteressen stossen grössere Bauprojekte immer wieder auf Widerstand und lösen Ängste aus. Teufen ist da sicher keine Ausnahme. Was ich in Teufen als speziell erlebe, ist dieses offenbar schon Jahrzehnte alte Ringen um eine geeignete Tunnellösung.
Das Gewerbe verbindet mit dem Projekt existenzielle Sorgen im Hinblick auf die Bauphase – wie nehmen Sie diese Ängste auf?
Für diese Sorgen habe ich allergrösstes Verständnis und bin diesen gegenüber sehr offen. Es gibt jedoch auch Ladenbesitzer, welche die geplanten Projekte – die Doppelspur und die Neugestaltung des Dorfzentrums – als Aufwertung sehen für das Dorf und als Chance für ihr Geschäft. Bei der AB und auf Seiten des Kantons sind wir uns aber der schwierigen Situation für das Gewerbe während der Bauphase sehr wohl bewusst und werden gut darauf achten, dass die Ladengeschäfte immer zugänglich sind.
Die Situation wird für die betroffenen Geschäfte im Dorfzentrum allerdings erst in rund drei Jahren «ernst». Erst dann sollen die Bauarbeiten an der eigentlichen Dorfdurchfahrt beginnen – vorausgesetzt, die Tunnellösung kommt nicht zur Ausführung.
Vom Umbau des Bahnhofs und der Bahnhof-kreuzung dürften die Geschäfte direkt noch wenig spüren. Sobald wir erste Vorstellungen von den Bauabläufen und Bauphasen entwickelt haben, werde ich das Gespräch mit dem Gewerbe aktiv suchen, informieren und gemeinsam nach Lösungen suchen, wie wir die beidseitigen Interessen am besten unter einen Hut bringen. Ein gemeinsames Interesse zwischen Bauherrschaften, Bauunternehmungen, Gewerbebetrieben und Anwohnern habe ich in vielen vergleichbaren Projekten stets in den Vordergrund gestellt: Dasjenige an einer möglichst kurzen Bauzeit. Doch auch die Dorfbewohner können ihren Teil dazu beitragen, die existenziellen Sorgen der Geschäfte und Restaurants zu lindern: Indem sie trotz der nicht zu umgehenden Behinderungen während der Bauzeit weiterhin ihre Einkäufe im Dorf tätigen und dadurch ihre Solidarität und Treue mit den Geschäften unter Beweis stellen.