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25.08.2025 | Timo Züst
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Der Kantonsrat Ausserrhoden befasste sich heute in zweiter Lesung mit der neuen Kantonsverfassung (Screenshot vom Livestream).

Es ist schon eine Weile her. Mehr als sieben Jahre nämlich: Am 4. März 2018 hatte das Ausserrhoder Stimmvolk den Grundsatzbeschluss über die Durchführung einer Totalrevision der Kantonsverfassung gefällt. Zur Einstimmung auf die heutige Sitzung bediente sich Kantonsratspräsident Hans Koller – es ist die erste, die er vollständig leitet – deshalb auch des Sprichworts «Was lange währt, wird endlich gut». Anschliessend wurde im Rat diskutiert: über das Stimmrechtsalter 16, das Ausländerstimmrecht oder über den Medienartikel. Nun ist die «neue» Verfassung bereit für die Volksabstimmung im November.

Hinweis: Hier geht es zum Youtube-Kanal des Kantons.

Hinweis 2: Einen Kommentar zur Sitzung von FDP-Kantonsrat Marco Sütterle finden Sie unten.

Proporz weiter nur in Herisau

Auch das Wahlverfahren für die weiterhin 65 Mitglieder des Kantonsrates stand im Rahmen der Totalrevision zur Debatte. Während der ersten Lesung war gar von einem flächendeckenden Proporz-Wahlsystem die Rede gewesen. Der Entwurf des Regierungsrates, der heute in zweiter Lesung beraten wurde, setzte die Grenze dann aber bei Gemeinden mit «fünf oder mehr Sitzen an». Dort hätte in Zukunft das Proporz-Wahlsystem gegolten – Teufen stellt derzeit sieben Kantonsräte. Die BKKV stellte während der Detailberatung dann den Antrag, diese Grenze auf 9 Kantonsräte zu erhöhen. Regierungsrat und Kantonsrat folgten diesem Vorschlag diskussionslos. Damit wird auch in Zukunft nur Herisau ihre Kantonsräte via Proporz wählen.

Das Volk wird voraussichtlich am 30. November über die totalrevidierte Kantonsverfassung entscheiden. An der Urne. Das markiert den ersten grossen Unterschied zur heute noch gültigen Verfassung – sie war nämlich am 30. April 1995 durch die Landsgemeinde erlassen worden. Inzwischen gibt es in Ausserrhoden keine Landsgemeinde mehr. Die letzte war am 27. April 1997 in Hundwil. Aber nicht nur das hat sich während der vergangenen 30 Jahre verändert. Der zuständige Regierungsrat Yves Noël Balmer zählt zum Start der Detailberatung auf: «Die Regierung wurde verkleinert, die Regierungsarbeit ist ein Vollamt, das Parlament wurde gestärkt, die Justizbehörde steht auf einem neuen Fundament, die Anzahl der Frauen in den Gemeinderäten, dem Kantons- und Regierungsrat ist deutlich angestiegen, ein Jugendparlament wurde gegründet, die erneuerbaren Energien werden mehr genutzt, die Siedlungen sind gewachsen, Mobilität ist massiv angewachsen, die Fülle an Informationen ist kaum noch zu bewältigen, die klassischen Medien haben an Reichweite verloren, die KI ist in die Welt gekommen, die Bevölkerung ist älter geworden, die Anforderungen an Schulen, Gemeinden und Kanton sind gestiegen und die Weltlage ist unsicherer geworden.» Es ist also an der Zeit für eine neue Verfassung. Deren Entwurf wurde heute im Kantonsrat in zweiter Lesung behandelt und zuhanden des Volkes verabschiedet. Zu reden gaben dabei vor allem drei Themen: das Stimmrechtsalter 16, der Medienartikel und das Ausländerstimmrecht.

Bereits vor vier Jahren, im Vorfeld der ersten Lesung, hatte die «sehr fortschrittliche Verfassung» schweizweit für Aufsehen gesorgt.

«Wenn ich in die Runde schaue, dann wird die heutige Sitzung wohl die meistbeachtete in diesem Geschäftsjahr», sagte Hans Koller (FDP) zu Beginn. Er spricht damit die Zuschauenden an, unter denen sich auch mehr Medienschaffende als üblich befinden. Der Grund für ihre Anwesenheit: Bereits vor vier Jahren, im Vorfeld der ersten Lesung, hatte die «sehr fortschrittliche Verfassung» schweizweit für Aufsehen gesorgt. Als besonders progressiv hatten die Berichte die beiden geplanten Stimmrechts-Anpassungen, das «Diskriminierungsverbot» und die damals noch diskutierte Streichung Gottes aus der Präambel beurteilt. Während der 1. Lesung kam dann aber noch eine weitere «Neuheit» dazu: der Medienartikel. Die SP-Fraktion hatte diesen beantragt und die Abstimmung im Rat dann auch gewonnen. Daraus entstand auf die heutige Sitzung der «Artikel 58a: Medien».

Der Medienartikel

Während sich der Regierungsrat, namentlich Yves Noël Balmer, während der zweiten Lesung vehement für die Aufnahme dieses Artikels in die neue Verfassung einsetzte, sprach er sich gleichzeitig gegen einen weitergehenden Minderheitsantrag der besonderen Kommission Totalrevision Kantonsverfassung (BKKV) aus. Dieser hätte explizit die direkte Förderung von lokalem und regionalem Journalismus gefordert. Der Vorschlag der Regierung spricht stattdessen vom «Einsatz für die Unabhängigkeit und Vielfalt der Medien», die «Förderung der Medienkompetenzen» und «Massnahmen zur Unterstützung einer vielfältigen und zeitgemässen Medienstruktur». «Dazu sage ich noch einmal ganz deutlich, dass der Regierungsrat keine Zahlungen an einzelne Medienunternehmen ermöglichen will. Das ist überhaupt nicht die Idee. Vielmehr soll in die Medienkompetenz der Bevölkerung und die Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten investiert werden», so Yves Noël Balmer. Das Parlament zog den Vorschlag der Regierung schliesslich dem Minderheitsantrag der Kommission mit 44 Ja- und 20 Nein-Stimmen vor. Bei der Abstimmung über die grundsätzliche Frage, ob der Medienartikel überhaupt in den Verfassungsentwurf kommen soll, gab es dann etwas Verwirrung. Darüber musste abgestimmt werden, weil die BKKV und SVP-Fraktion einen Streichungsantrag gestellt hatten. Diesesr war vor der Mittagspause noch knapp abgelehnt worden (31 zu 32 Stimmen). Allerdings stellte die SVP nach dem MIttag einen Rückkommensantrag. Dieser wurde vom Parlament klar gutgeheissen und so kam es zu einer zweiten Abstimmung über die Streichung des Medienartikels. Und dieses Mal war das Ja-Lager um eine Stimme stärker. Damit wird dem Stimmvolk am 30. November eine Kantonsverfassung ohne Medienartikel vorgelegt. Etwas anders ist die Situation beim Stimmrechtsalter 16.

Die Stimmrechts-Fragen

Das erste Traktandum der heutigen Sitzung war eine Motion. Wie der Minderheits- und Streichungsantrag zum Medienartikel stammt auch sie aus der Feder der BKKV. Ihr Ziel: Über das Stimmrechtsalter 16 soll die Bevölkerung separat abstimmen können – im Sinne einer Teilrevision. BKKV-Präsident Marc Wäspi (parteilos) begründete dies mit der Mehrheitsfähigkeit der Gesamtvorlage. Diese soll erhöht werden, indem über einen kontroversen Aspekt wie das Stimmrechtsalter 16 separat entschieden werden kann. Diesem Vorschlag stimmten sowohl Regierungsrat als auch Parlament zu. Letzteres mit 57 Ja- und 7 Nein-Stimmen. Das Ausländerstimmrecht bleibt allerdings Teil der Abstimmungsvorlage – als Eventualantrag. Ein Gesuch auf Streichung von der SVP blieb chancenlos und wurde mit 51-Nein-, 12 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen abgelehnt.

Bei der Schlussabstimmung über die Totalrevision war man sich dann (fast) einig: Der Kantonsrat verabschiedete sie mit 64 Ja- und 1 Nein-Stimme zuhanden der Ausserrhoder Bevölkerung. Diese wird am 30. November also über die neue AR-Verfassung abstimmen – inkl. Eventualantrag zum Ausländerstimmrecht. Parallel dazu hat die Regierung den Auftrag gefasst, eine Abstimmung über eine Teilrevision zum Stimmrechtsalter 16 zu lancieren.

Kommentar von Marco Sütterle,
Kantonsrat und Präsident der FDP Teufen

Die letzte Kantonsratssitzung vom Montag war zweifellos eine der bedeutendsten dieses politischen Jahres. Mit der zweiten Lesung der totalrevidierten Kantonsverfassung stand ein Generationenprojekt im Zentrum – und das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Aus liberaler Sicht dürfen wir sehr zufrieden sein: In allen entscheidenden Punkten konnten wir eine Ratsmehrheit gewinnen. In der Schlussabstimmung stellten sich gar 64 von 65 Kantonsräten hinter die Vorlage. Damit haben nun die Ausserrhoder Stimmberechtigten am 30. November 2025 über eine breit abgestützte Vorlage zu befinden.

Der Sitzungstag war nicht nur für Ratspräsident Hans Koller (FDP, Teufen) herausfordernd, der neben der Sitzungsführung auch technische Probleme zu bewältigen hatte, sondern auch für uns Ratsmitglieder auf der Teufner Bank. Wir konnten trotz der zahlreichen – meist parteipolitisch motivierten – Anträge von links und rechts unseren liberalen Kurs halten.

Ein zentrales Thema bildeten dabei die Stimmrechtserweiterungen. Beim Stimmrechtsalter 16 und beim Ausländerstimmrecht konnten wir uns behaupten und so wird das Stimmvolk über jede Frage einzeln und im losgelösten klaren Kontext befinden können: Am 30. November wird über einen Eventualantrag über das Ausländerstimmrecht entschieden, während die Frage nach dem Stimmrechtsalter 16 separat – voraussichtlich im nächsten Jahr – dem Volk vorgelegt wird.

Rege diskutiert wurde auch der «Medienartikel». Der Regierungsrat war beauftragt, eine Grundlage für eine vielfältige und zeitgemässe Medienlandschaft vorzuschlagen. Unbestritten ist die Bedeutung von Medienvielfalt für die Demokratie. Doch wie diese zu sichern ist, und ob es überhaupt eine Aufgabe des Kantons sei – da gingen die Meinungen auseinander. Weder der Entwurf der Regierung noch der Minderheitsantrag der besonderen Kommission überzeugten. Nach intensiver Debatte und zwei Abstimmungen – was eine Geschichte für sich ist – entschied sich der Rat schliesslich äusserst knapp mit 32 zu 31 Stimmen, dem Mehrheitsantrag der besonderen Kommission zu folgen und den Medienartikel vollständig zu streichen.

Erfreulich war, dass unsere Tüüfner Poscht in der Debatte mehrfach, auch von auswärtigen Ratskollegen, als gelungenes Beispiel für den lokalem Qualitätsjournalismus erwähnt wurde.

Völlig unspektakulär verlief die Diskussion um das Wahlsystem des Kantonsrates – obwohl es für Teufen eines der wichtigsten Themen war. Gerade weil zwischen erster und zweiter Lesung so viel Bewegung ins Thema kam. Mein Dank gilt allen, die auf unseren Aufruf hin mit ihren Volksdiskussionsbeiträgen spürbar Einfluss genommen haben. Schliesslich erwies sich dieser Punkt als unstrittig. Die Kommission stellte einmal mehr einen überzeugenden Antrag, und der Regierungsrat war sich in lobenswerter Weise auch nicht zu schade, auf diesen einzuschwenken.

So wird Herisau weiterhin als einzige Gemeinde seine Kantonsräte im Proporz wählen, währenddessen alle anderen Gemeinden mit acht oder weniger Sitzen, weiterhin am Majorzsystem festhalten. Nach dem Vorschlag der Regierung hätten Gemeinden bereits mit 5 und mehr Sitzen zu einem neuen Wahlsystem wechseln oder gar einen neuen Wahlkreis bilden sollen. Dies hätte Teufen, Speicher und Heiden betroffen, was zum Glück noch vor der zweiten Lesung abgewendet werden konnte.

Es bleibt also vorläufig wie bisher. Doch neu verfügt der Kanton über eine Regelung, die mit seiner weiteren strukturellen Entwicklung mitwachsen kann. Auch darüber hinaus enthält die totalrevidierte Verfassung zahlreiche Neuerungen, die die Zukunftsfähigkeit unseres Kantons sichern. Das Ziel, vorausschauend zu handeln und die notwendigen verfassungsmässigen Grundlagen für kommende Herausforderungen zu legen, wurde meiner Meinung nach erreicht.

Ich bin auch überzeugt, dass wir dem Stimmvolk eine solide Vorlage präsentieren, die am 30. November 2025 gute Chancen auf eine Mehrheit hat. Für mich persönlich war es ein Privileg, an diesem Werk mitgestalten zu dürfen und politische Kompromisse zu finden, um am Ende eine breit abgestützte Lösung vorzulegen.

In Teufen wird die FDP zu gegebener Zeit eine Informationsveranstaltung in der Linde organisieren, um die Bevölkerung über die Inhalte der neuen Verfassung zu orientieren.

Marco Sütterle, Kantonsrat und Präsident FDP Teufen

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